Kolumne: Gegenpressing Immer hinein mit Glückspillen und Wunderspritzen

Mit Risiken und Nebenwirkungen der Mittelchen, die ihnen verabreicht werden, beschäftigen sich viele Sportler lieber nicht. Die Aussage eines Paderborner Fußball-Jünglings verdeutlicht das.

 RP-Redakteur Martin Beils.

RP-Redakteur Martin Beils.

Foto: Phil Ninh

Marvin Ducksch fällt auf. Mit seinem Porsche, den der 20-jährige, akkurat frisiere Fußballprofi des SC Paderborn gern auf der Aschebahn am Trainingsplatz parkt. Und mit einer Aussage, die viel über ihn und seine jugendliche Unbedarftheit und noch mehr über das Verhältnis der Szene zu Medikamenten aussagt.

"Ich habe mich am Knie verletzt, habe mir in der Halbzeitpause eine Tablette reingezogen - und den Schmerz vergessen. Ich weiß selber nicht, was es war, aber es war eine sehr gute Tablette", sagte der von Borussia Dortmund ausgeliehene Spieler am Sonntag nach dem 3:1-Sieg gegen Eintracht Frankfurt. Die Klubmediziner hatten ihm ein Schmerzmittel verabreicht, und schon ging es weiter. Immer hinein mit den Glückspillen! Risiken und Nebenwirkungen? Keine Ahnung.

Schmerzmittel sind im Sport nicht verboten, aber umstritten. Sie werden im Übermaß geschluckt, im Profi- wie im Hobbysport. Jiri Dvorak, der Chefmediziner des Fußball-Weltverbands, ermittelte, dass bei der WM vor vier Jahren 60 Prozent der Spieler Schmerzmittel nahmen, 39 Prozent sogar vor jedem Spiel. Gesund ist das nicht. Und vorbildlich ist es keinesfalls.

Was hilft (oder zu helfen scheint) wird geschluckt, ohne nachzufragen. Schlechtestes Beispiel dafür: die Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle. Sie vertraute ihrem persönlichen Guru und dessen Nahrungsergänzungsmitteln. Bei den Spielen in Sotschi bekam sie die Quittung in Form eines positiven Dopingtests, der ihre Karriere praktisch beendete. Der deutsche Olympiaarzt hat nun gefordert, nicht nur die Athletin, sondern auch deren Berater zu bestrafen. Dürfte schwierig werden.

Es wird viel Zeug in Sportlerkörper gekippt oder gespritzt. Vieles davon findet hart an der Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem statt. Die traurige Geschichte des Münchner Fußballprofis Thiago, der sich gerade wegen seines dritten Bänderrisses binnen kurzer Zeit hat operieren lassen müssen, erzählt davon. Den Vorwurf, der spanische Arzt habe ihn fälschlich mit Cortison behandelt, konterte der mit der Twitter-Nachricht, dass das nicht stimme und er "Growth Factor, also "Wachstums-Faktoren" verwendet habe. Was genau das ist, wollte er nicht verraten. Es klingt aber verdächtig nach den "Wachstums-Hormonen", die laut Dopingbestimmungen nur mit Ausnahmegenehmigung verabreicht werden dürfen.

Duksch, Sachenbacher, Thiago - alles Geschichten aus einer Woche, in der Gerd Bonk an den Spätfolgen jahrelangen DDR-Dopings elend an Organversagen starb. Mit 63. Bevor er sich noch einmal jubilierend über die Segnungen von Pillen äußert, sollte sich Marvin Duksch mit dem Fall Bonk beschäftigen. Ein bisschen Nachhilfe im Fach Sportgeschichte scheint er nötig zu haben.

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(RP)
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