Rio De Janeiro IOC stiftet Verwirrung mit geänderter Russland-Leitlinie

Rio De Janeiro · Das Komitee empfiehlt, russische Sportler nur zu sperren, wenn ihnen der McLaren-Bericht expliziten Doping-Missbrauch nachweist.

Einen Tag vor dem Start der Spiele in Rio de Janeiro bastelten die Experten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im Hintergrund immer noch an der Russland-Mannschaft. Das Problem: Der bislang so hochgelobte McLaren-Report scheint an einigen Stellen nicht unbedingt fehlerhaft, aber doch etwas ungenau zu sein. Kein Wunder: Nach nur 57 Tagen Ermittlungsarbeit hatte Sonderermittler Richard McLaren zwar das russische Staatsdoping im Grundsatz aufgedeckt. Dass er jeden russischen Sportler unter die Lupe genommen hätte, hat er nie behauptet.

Am Dienstag hatte das IOC neue Verfahrensleitlinien an die Weltverbände verschickt. Darin empfiehlt das IOC, Vorsicht walten zu lassen und die russischen Sportler nur zu sperren, wenn ihnen der McLaren-Bericht expliziten Doping-Missbrauch nachweist.

Die Ringe-Organisation weicht damit ihre eigene Regel auf, die sie den Weltverbänden an die Hand gegeben hatte. Dass dadurch nur noch mehr Unsicherheit entstanden ist, glaubt das IOC aber nicht - im Gegenteil. "Das war ein Brief von uns an die Verbände, um Klarheit zu schaffen", sagte IOC-Vize John Coates, der auch Präsident des Internationalen Sportgerichtshofs CAS ist. Das IOC habe eine "klare Definition" gegeben, wann ein Athlet betroffen ist und gesperrt werden müsse, "weil die Verbände erklärten, dass bei einigen Athleten, die in dem Bericht genannt werden, keine verbotenen Substanzen nachgewiesen wurden."

Thomas Weikert, deutscher Präsident des Tischtennis-Weltverbandes ITTF, wertet die Sache anders. "Wir haben die drei betroffenen russischen Spieler zugelassen, das Prozedere ist abgeschlossen", sagte er, mutmaßt aber: "Ich denke schon, dass diese neuen Richtlinien meine Amtskollegen, die noch mit der Prüfung befasst sind, sehr aufgeschreckt haben."

Die betroffenen Weltverbände hatten ohnehin schon über den Zeit- und Verantwortungsdruck gestöhnt, den das IOC ihnen mit der Überprüfung und Bewertung der russischen Athleten aufgebürdet hatte. Nun wurde kurz vor Toresschluss noch mal geflickschustert. Weikert kritisierte erneut die grundsätzliche Entscheidung des IOC, die Verbände in die Pflicht zu nehmen: "Das IOC hätte von Anfang an die Verantwortung für diese Fälle übernehmen müssen und sie nicht an die Verbände übertragen dürfen."

Offenbar haben das IOC rechtliche Bedenken zu dem erneuten Kurswechsel veranlasst. Dies könnte mit dem Fall der russischen Schwimmer Wladimir Morosow und Nikita Lobinsew zusammenhängen. Beide waren im McLaren-Report erwähnt und vom Weltverband FINA gesperrt worden. Dagegen legte das Duo Einspruch beim CAS ein.

Der Sportgerichtshof leitete die Fälle der beiden Athleten an das letztinstanzliche IOC-Gremium um Claudia Bokel weiter und gab damit dem Einspruch der Russen de facto statt. Der neue IOC-Brief soll die anderen Verbände nun wohl vor juristischen Fallstricken bewahren.

(sid)
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