Weitsprung-Legende Beamon wird 70 Mit 19 Schritten zum Fabelweltrekord

Berlin · Mit einem Super-Flug in die Sandgrube schockt Bob Beamon am 21. Oktober 1968 seine Rivalen und verblüfft die Leichtathletik-Welt. Die 8,90 Meter des US-Weitspringers werden als Jahrhundert-Weltrekord gefeiert - und halten 23 Jahre. Am Montag wird Beamon 70.

Olympische Höhepunkte von 1896 bis 2008
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Foto: dapd, Charlie Riedel

"8.90" - Nur drei Ziffern und einen Punkt muss der berühmteste Weitspringer der Welt aufs Papier kritzeln, um die Autogrammjäger wunschlos glücklich zu machen. Bob Beamon schreibt er gar nicht mehr drunter. Diesen Mann kennt ja jeder - und seine irre Geschichte auch: Mexiko-City, 18. Oktober 1968, 15.40 Uhr Ortszeit: 19 Schritte Anlauf in sechs Sekunden, der Fuß trifft den Balken haargenau. Wie vom Katapult beschleunigt, schnellt der schlanke schwarze Modellathlet durch die Luft. Er rudert mit Armen und Beinen und landet ganz am Ende der Sandgrube: 8,90 Meter!

Mit seinem unglaublichen Weitsprung-Weltrekord im olympischen Finale stößt Beamon die Tür zum neuen Jahrtausend weit auf. Bis heute wird er verehrt, zehntausend Mal hat er seine atemberaubende Geschichte bestimmt schon erzählt. An diesem Montag feiert der weltberühmte Leichtathlet seinen 70. Geburtstag.

Olympischer Rekord steht noch

Dass der Jubilar noch gut drauf und immer für einen Gag gut ist, bewies Beamon kürzlich in einem launigen TV-Spot. Vor Olympia in Rio hatte er jenem Weitenjäger, der seinen "ewigen" Rekord knackt, ein Bier versprochen. Das muss der Oldie nun allein zischen. Denn Sieger Jeff Henderson (USA) fehlten 52 Zentimeter zum olympischen Weitsprung-Rekord. Der steht nun mindestens 52 Jahre - bis zu den Sommerspielen 2020 in Tokio.

"Wenn ich daran zurückdenke, bewegt mich das immer noch sehr", sagte Beamon unlängst in einem Radio-Interview. "Wir waren damals Pioniere", seine Nachfolger hätten heute viel größere Möglichkeiten. "Viele suchen nur den kürzesten Weg zum Erfolg. Den gibt es aber nicht, es ist harte Arbeit", meint er. Und: "Nichts ist wichtiger als deine Gesundheit, da hilft dir auch alles Geld der Welt nicht."

Astronaut Neil Armstrong setzt am 21. Juli 1969 seinen Fuß als erster Mensch auf den Mond - ein kleiner Schritt für ihn, ein großer Sprung für die Menschheit. Auch für Beamon, wenn auch neun Monate früher. Dem Leichtathleten reicht eine Sternstunde in 2248 Meter Höhenluft dafür. Fast hätte man sagen können: Er kam mal "auf einen Sprung" vorbei. Denn die 8,90 schafft er gleich im ersten Versuch, legt dann 8,04 Meter nach - und lässt die letzten vier Versuche aus.

1991 fällt der Rekord

Der "Jahrhundert-Weltrekord" hält zwar nur 23 Jahre, bis Mike Powell 1991 bei der WM in Tokio fünf Zentimeter weiter fliegt. Doch die Erinnerungen an den größten Tag seines Lebens werden Beamon für immer begleiten. Als ob es gestern wäre, kann er die entscheidenden Sekunden ins Gedächtnis zurückrufen: "Die Bedingungen waren ideal. Geschwindigkeit, Absprung, alles stimmte. Ich denke, ich hatte ein Tempo von umgerechnet 10,0 Sekunden für die 100 Meter drauf."

Olympia-Gold hat Beamon damit bereits sicher, aber die verblüfften Kampfrichter messen noch mit einem Stahlband nach, denn die automatische Anlage war nur für Weiten bis 8,60 Meter eingerichtet. "Verglichen mit seinem Sprung waren wir wie Kinder", meint sein geschlagener sowjetischer Rivale Igor Ter-Owanesjan. Staunend wie die ganze Welt muss er mit ansehen, wie ein 22 Jahre alter "Bobby" aus New York den Weltrekord von Ralph Boston förmlich pulverisiert. Gleich 55 Zentimeter segelt Beamon weiter, Ter-Owanesjan wird mit 8,12 Meter nur Vierter hinter DDR-Springer Klaus Beer (8,19) und dem entthronten Weltrekordler Boston (USA/8,16).

Die Zweifel an der außerirdischen Leistung bleiben, doch der Rekord hält allen Stürmen stand - bis zum 30. August 1991. In einem denkwürdigen WM-Finale holt sich Powell mit 8,95 Meter Gold, sein US-Landsmann Carl Lewis liefert ihm bis zum letzten Sprung einen Kampf auf Biegen und Brechen. Für 8,91 Meter - mit zu viel Rückenwind - bekommt "Carl der Große" nur Silber.

Nach seinem Olympiasieg tingelt Beamon noch ein wenig im Hallen-Zirkus herum, kommt aber nie auch nur annähernd an seinen Wahnsinnssprung heran. Mit Gelegenheitsjobs als Co-Trainer oder Jugendberater hält sich der gelernte Schneider über Wasser. 1972 scheitert ein Comeback-Versuch, 1973 wird Beamon für kurze Zeit Profi. Doch Gold lässt sich im Amateur-Zeitalter nicht versilbern.

(dpa)
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