Dopingskandal Neue Anschuldigungen gegen Russland — was wusste Putin?

Berlin · Das Thema Doping lässt die Sportwelt nicht zur Ruhe kommen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann brachte harte Strafen für Russland ins Spiel und rückte wie auch Whistleblower Grigori Rodtschenkow Staatspräsident Wladimir Putin in den Fokus.

Wladimir Putin erzielt in Eishockey-Spiel acht Tore bei 18:6-Sieg
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Wladimir Putin erzielt in Eishockey-Spiel acht Tore

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Foto: dpa, si jak

Die skandalumwitterten Leichtathleten sehen sich neuen Anschuldigungen ausgesetzt, Staatspräsident Wladimir Putin gerät in den Blickpunkt: Der Dopingskandal in Russland nimmt nach neuen Enthüllungen der ARD-Dopingredaktion neue Fahrt auf, zudem forderte DOSB-Präsident Alfons Hörmann harte Sanktionen gegen die Sport-Großmacht. Sollte auch das IOC staatliches Doping belegen, sei ein Komplett-Ausschluss für die kommenden beiden Olympischen Spiele denkbar. Zudem glaube Hörmann nicht, dass Putin nichts vom Dopingplan gewusst habe.

"In einem System wie Russland scheint auch das nur schwer vorstellbar. Das fällt mir als Bürger Europas, aber auch als sportpolitischer Verantwortungsträger schwer zu glauben", sagte Hörmann der Welt am Sonntag. Er könne sich zudem nur schwer vorstellen, dass ein Dopingsystem wie in Russland landesweit umgesetzt werde, ohne dass das nationale olympische Komitee (NOK) in irgendeiner Form davon weiß oder darin involviert sei. "Das ist nach meinem Verständnis einer Sportorganisation in einem Land wie Russland wohl kaum möglich. Zumal das NOK laut Charta für die Umsetzung des WADA-Codes verantwortlich ist", sagte Hörmann.

Seine klare Forderung lautet: "Wenn sich bestätigen sollte, dass es in Russland Staatsdoping gegeben hat und das russische NOK damit gegebenenfalls eindeutig gegen die IOC-Charta verstoßen hat, dann wäre für mich der Komplettausschluss des gesamten NOK mindestens für Pyeongchang (Winterspiele 2018 - d.R.) und gegebenenfalls auch für Tokio (Sommerspiele 2020 - d.R.) ein Thema, mit dem sich das IOC intensiv beschäftigen muss", sagte Hörmann.

"Der Wandel wird nur vorgetäuscht"

Zumal ein neuer Whistleblower Russlands ohnehin bereits suspendierten Leichtathletik-Verband RUSAF weiter belastet. Die angeblichen Reformen im Anti-Doping-Kampf seien nur Augenwischerei. "Da wird ein Wandel vorgetäuscht, den es gar nicht gibt", sagte der russische Leichtathlet Andrej Dmitrijew der ARD-Dopingredaktion.

Laut Mittelstreckenläufer Dmitrijew betreut unter anderem Wladimir Kasarin trotz seiner weltweiten Sperre wegen Dopingvergehen weiterhin russische Top-Athleten. "Er arbeitet noch. Das lässt er sich nicht so leicht wegnehmen", sagte der 26-Jährige: "Wenn du behauptest, dass wir uns ändern, dann aber diese Leute einfach weitermachen - das ist doch Heuchelei, das sind Lügen."

Wie schon Julia Stepanowa und deren Mann Witali spielte Dmitrijew der Sportschau heimlich aufgenommenes Videomaterial zu, das Kasarin in einem russischen Trainingslager zeigen soll. Neben Kasarin sollen weitere russische Trainer trotz Dopingverstrickungen weiter aktiv sein. Kasarin sei "nicht der dickste Fisch". "Wenn auf den Videobildern wirklich dieser gesperrte Trainer zu sehen ist, hat RUSAF die dem Verband auferlegten Kriterien für die Wiederzulassung nicht eingehalten", sagte IAAF-Generaldirektor Olivier Gers der ARD.

Weitere Einblicke in das Dopingsystem gab Whistleblower Grigori Rodtschenkow in der Dokumentation "Icarus", die am vergangenen Freitag Premiere feierte. Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors gab zu, insgesamt 30 russische Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 und mindestens die Hälfte der 72 Medaillengewinner vier Jahre später in London gedopt zu haben. Das berichtet die englische Tageszeitung Mail on Sunday.

Rodtschenkow deutete zudem an, dass er 2011 nur aufgrund einer Intervention von Putin im Amt blieb. Damals sei auf Anweisung des Präsidenten hin eine Ermittlung wegen des Handels mit Dopingsubstanzen gegen ihn völlig überraschend fallengelassen worden. Rodtschenkow arbeitete daraufhin weiter als Leiter des Moskauer Labors. "Putin hat mich angefragt", sagte er.

Wie viele Probleme die Aufarbeitung des Skandals macht, zeigte der Biathlon-Weltverband IBU am Wochenende: 22 der 29 Dopingermittlungen gegen russische Sportler wurden eingestellt. Erst nach einer Rolle rückwärts berief die IBU einen Außerordentlichen Kongresses noch vor der WM in Hochfilzen (9. bis 19. Februar) ein. Bisher wurden erst zwei russische Sportlerinnen gesperrt.

(sid)
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