Dopingskandal um russische Leichtathleten "So wie es in der DDR war, so ist es auch bei uns"

Im Dopingskandal in der russischen Leichtathletik wirbt Hammerwerfer Sergej Litwinow um Geduld bei der Umsetzung der angestrebten Reformen.

Das ist die verbotene Substanz Meldonium
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Das ist die verbotene Substanz Meldonium

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Foto: ap

Die Neugestaltung der Leichtathletik in Russland werde lange dauern, "aber sie kommt voran. Man darf uns nicht nur auf den Kopf schlagen, sondern man soll uns helfen. So wie es in der DDR war, so ist es auch bei uns. Von einem Tag auf den anderen müssen sich alle neu orientieren", sagte Litwinow der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ).

Das Wichtigste sei ein Doping-Kontrollsystem, "wenn wir nach Rio fahren wollen, müssen wir jetzt kontrolliert werden". Für die Olympia-Kandidaten klappe dies, "die IAAF hat dafür gesorgt, dass die Spitze kontrolliert wird. Aber wer nicht dazu gehört, unterliegt keinerlei Kontrolle."

Der 30-Jährige, der von 2008 bis 2010 für Deutschland startete und 2009 in Berlin WM-Fünfter wurde, sieht insgesamt erste Fortschritte. "Das ganze System war nicht mehr haltbar. Jetzt ist es besser. Es könnte noch besser sein. Aber es ist schon ein Plus", sagte Litwinow.

Im November hatte ein Untersuchungsbericht einer unabhängigen Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Wada-Vorsitzenden Richard Pound einen systematischen Betrugsskandal in der russischen Leichtathletik offengelegt. Die russischen Leichtathleten wurden vom Weltverband IAAF wegen systematischen Dopings ausgeschlossen, über ein Olympia-Aus soll im Mai entschieden werden.

Litwinow hofft, dass sich für die russischen Athleten alles zum Guten wendet. "Wir haben wirklich Leute, die sauber sind. Es wäre unfair, wenn sie nicht fahren dürften", sagte er. Doping sei ein großes Problem, "aber nicht alle sind Doper". Im Falle eines Olympia-Ausschlusses glaubt Litwinow an das Karriereende vieler Top-Athleten: "Das wäre ein schwerer Schlag für unsere Leichtathletik. Die meisten fragen sich jetzt schon, wofür sie das alles auf sich nehmen."

Zugleich berichtete Litwinow über seine Erfahrungen mit der seit Jahresbeginn verbotenen Substanz Meldonium, durch deren Einnahme vor allem Sportler aus der ehemaligen Sowjetunion in den vergangenen Monaten suspendiert worden waren. "Wir haben das Mittel hier immer von Ärzten bekommen. Bei mir lagen schließlich fünfzig Packungen unbenutzt herum, sie waren schon eingestaubt", so Litwinow. Er selbst habe zehn Tage lang einen Selbstversuch gemacht und es "dann ein für alle Mal abgesetzt". Er zweifle an der Wirksamkeit Meldoniums.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada war zuletzt in Erklärungsnot geraten, da Meldonium offenbar erheblich länger im Körper nachweisbar ist als ursprünglich angenommen. Dadurch mussten bereits Suspendierugen rückgängig gemacht werden.

Trotz der vorläufigen Sperre glaubt Russlands Sportminister Witali Mutko an eine Startgenehmigung für die russischen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen im August. "Wir haben alles dafür getan, damit die Sperre aufgehoben wird", sagte Mutko in einem Interview des Magazins "Der Spiegel". Russlands Leichtathletik ist nach umfangreichen Dopingenthüllungen derzeit vom Weltverbandes IAAF suspendiert, seit Wochen gibt es in dem Land zudem quer durch alle Sportarten zahlreiche Fälle mit der seit diesem Jahr verbotenen Substanz Meldonium.

Aus Mutkos Sicht steht das Präparat zu Unrecht auf der Dopingliste. "Es wird bei uns häufig gegen Herzprobleme und zur Prophylaxe verschrieben. Es ist kein schreckliches Anabolikum, es hilft bloß bei der Erholung", sagte er. Mutko hatte zuvor bereits zurückgewiesen, dass es sich dabei um ein vorwiegend russisches Problem handele.

Der Sportminister betonte, sein Land setze derzeit Reformen in der Dopingbekämpfung um. "Wir haben Funktionäre und verdächtige Trainer ausgewechselt. Unsere Leichtathleten haben das moralische Recht, in Rio dabei zu sein." Über einen möglichen Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten soll am 17. Juni entschieden werden.

(sid)
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