Kritik an Weltrekord-Reform "Ein Schlag ins Gesicht"

London · Der frühere Weltklasse-Weitspringer Mike Powell hat die jüngsten Pläne zur Abschaffung vieler Leichtathletik-Weltrekorde scharf kritisiert. Ähnlich äußerte sich der deutsche Weitspringer Sebastian Bayer.

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Die vom Europa-Verband EA als "Revolution" bezeichnete Neubewertung und damit auch die Streichung vieler Weltrekorde sei für ihn "respektlos, eine Ungerechtigkeit und ein Schlag ins Gesicht", sagte der 53-jährige Powell der BBC (Mittwoch). "Ich habe bereits meinen Anwalt kontaktiert", berichtete der Amerikaner, der seit der WM 1991 den Weitsprung-Weltrekord mit 8,95 Metern hält.

Wenn die von der EA vorgeschlagenen neuen Richtlinien vom 1. Januar 2018 an greifen, dann könnte auch Powell seinen Weltrekord nach fast 27 Jahren verlieren. Dass viele Top-Leistungen aus der Hoch-Zeit des Dopings mit der Reform nun gleichermaßen als verdächtig gelten, das erbost ihn besonders. "Natürlich gibt es da Rekorde, die man irgendwie anzweifeln muss", gab er zu. "Aber meiner ist astrein. Das ist eine Story des menschlichen Herzens und von Kampfeswillen, einer der größten Momente in der Geschichte des Sports."

Falls der Reformantrag im Herbst auch vom Weltverband IAAF abgesegnet wird - Präsident Sebastian Coe hat sich bereits positiv geäußert -, würden aufgrund der Neubewertung zahlreiche aktuelle Weltrekorde gestrichen. Denn die härteren Kriterien für die Anerkennung, die von 2018 an greifen sollen, gelten auch rückwirkend.

Eine Bedingung soll eine Mindestzahl von Kontrollen des jeweiligen Athleten im Zeitraum von zwölf Monaten vor dem Rekord sein. Außerdem sollen die Dopingproben zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Von den Leichtathletik-Weltrekorden in den 47 olympischen Disziplinen würde die große Mehrzahl damit keinen Bestand mehr haben.

"Ich finde es falsch, eine Liste von Grund auf zu überarbeiten. Es gibt Rekorde, die angezweifelt werden oder bei denen es bewiesen ist, dass sie unter Doping zustande gekommen sind. Es gibt aber auch viele Rekorde, die bislang ohne Zweifel sind", sagte der ehemalige Weitsprung-Europameister Bayer dem SID.

Bayer hatte 2009 in Turin und 2011 in Paris den EM-Titel in der Halle gewonnen, 2012 triumphierte er in Helsinki im Freien. In Turin stellte Bayer mit 8,71 m die bis heute gültige europäische Bestmarke auf. "Wenn man sieht, was man alles geopfert hat, um diese Leistung zu bringen - und dann wird die mit dem Rotstift ausradiert. Für Sportler wie mich, die nie in Kontakt mit Doping gekommen sind, wäre das wie ein Schlag ins Gesicht", sagte der 30-Jährige. Vielmehr plädierte Bayer für eine differenziertere Betrachtung. "Wenn Sportler überführt wurden oder erzielte Leistungen mit Doping nachweislich bewiesen sind, sollte man diese streichen", sagte er.

(dpa/sid)
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