IAAF verhängt "härteste Strafe" Russland lässt Suspendierung kalt

Düsseldorf · Rote Karte oder doch nur ein Denkzettel? Der Weltverband IAAF ist mit dem provisorischen Ausschluss der dopingverseuchten russischen Leichtathleten zwar der Forderung der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada nachgekommen, ein Olympia-Aus der Russen ist aber noch in weiter Ferne. Im Land des riesigen Dopingskandals sorgt das IAAF-Verdikt zumindest nicht für große Sorgenfalten.

 Russlands Sportminister Witali Mutko ist von der Suspendierung durch den Weltverband IAAF wenig beeindruckt.

Russlands Sportminister Witali Mutko ist von der Suspendierung durch den Weltverband IAAF wenig beeindruckt.

Foto: ap

"Die IAAF konnte doch gar keine andere Entscheidung treffen. Mit dem Damokles-Schwert über ihren Köpfen, mit dem Druck, der auf sie ausgeübt wurde", sagte Russlands umstrittener Sportminister Witali Mutko und zeigte sich wenig beeindruckt. Natürlich gehe er davon aus, dass seine Leichtathleten bei den Spielen in Rio starten können. Ein Startverbot? Niemals! "Ich schließe so einen Verlauf der Entwicklung aus", sagte Mutko in der ARD-Sportschau am Samstag.

Raum dazu lässt das IAAF-Urteil zumindest, das am Freitagabend beim (telefonischen) 201. Council-Meeting mit 22:1-Stimmen zustande kam. Auch wenn es IAAF-Präsident Sebastian Coe als "härteste Strafe, die wir zurzeit verhängen können", bezeichnete, die Wada von "positiven Nachrichten für die sauberen Athleten in aller Welt" sprach.

Komplettes Startverbot für russische Leichtathleten

In Kürze gesagt, hat das Urteil ein komplettes Startverbot für russische Leichtathleten bei internationalen Wettbewerben bis zur Aufhebung des Bannes zur Folge. Dies beinhaltet sämtliche internationalen Meisterschaften, Meetings und (Marathon-)Läufe. Damit wären die Russen nach jetzigem Stand auch 2016 in Rio, aber auch bei der Hallen-WM in Portland sowie der Diamond League ausgeschlossen.

"Das ist sportpolitisch eine einmalige Entscheidung und kann eine heilsame Wirkung haben", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop: "Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf um die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit im Sport. Damit kann auch ein Warneffekt an andere Länder ausgelöst werden, die vielleicht auch nicht den Wada-Standards entsprechen."

Um wieder zugelassen zu werden, müssen die Russen weitreichende Reformen durchsetzen und eine Liste von Kriterien erfüllen. Kontrolliert werden soll dies von einem Inspektions-Team unter dem Vorsitz des norwegischen Anti-Doping-Experten Rune Andersen.

Es ist aber angesichts der Zustände in der Leichtathletik und im Anti-Doping-Kampf Russlands wenig realistisch, dass das Riesenreich innerhalb weniger Monate sein Riesenproblem in den Griff bekommt. Weit realistischer ist folgendes Szenario: Russland geht auf die IAAF zu, zeigt die von Mutko angekündigte Kooperations-Bereitschaft und erste Ansätze, und der Weltverband holt die Russen auf Bewährung zurück ins Geschäft.

So könnten beide Seiten ihr Gesicht wahren. Russlands mächtiger Präsident Wladimir Putin, dem das Urteil nicht wirklich gefallen dürfte, wäre zudem versöhnt, und auch das IOC hätte eine Baustelle weniger. Denn Olympische Spiele ohne die Leichtathletik-Nation Russland wären wohl auch nicht nach dem Geschmack der Ober-Olympioniken um Thomas Bach. Das IOC hatte schon durchblicken lassen, an Aufklärung interessiert zu sein, weniger aber an Boykott und Ausschluss. Am Kernproblem einer verdorbenen Sportart würde ein Kompromiss allerdings wenig ändern.

Überhaupt: Das Urteil vom Freitag umfasst nur die Russen. Andere Leichtathletik-Nationen, das lassen zumindest die Korruptions-Enthüllungen um den früheren IAAF-Präsidenten Lamine Diack befürchten, sind ebenfalls belastet. Und es umfasst ebenso auch nur Russlands Leichtathleten. Von dessen Schwimmern, Skilangläufern und Biathleten sind ähnliche Zustände zu vernehmen.

Bei aller Schärfe im Ton: Der IAAF-Richterspruch ist nur ein erster kleiner Schritt in einen gigantischen Sumpf.

(seeg/sid)
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