Analyse zur Leichtathletik-WM Sportarten im Hamsterrad

Nach dem Ende der WM in London geht es für die deutsche Leichtathletik nun wieder darum, abseits des Rampenlichts ihre Bedeutung als olympische Kernsportart zu bewahren. Im Schwimmen sind die Probleme noch größer.

Leichtathletik-WM 2017: Die packendsten Momente und Bilder der WM in London
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Die Szenen und Bilder der WM in London

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Foto: dpa, hpl

Nun ist es also für die deutsche Leichtathletik wieder vorbei mit dem Rampenlicht globaler Sportöffentlichkeit. Zehn Tage WM in London sind zu Ende, und der Abschied schubst die Athleten und ihre Sportart zurück in den alltäglichen Kampf um Fördergelder, Sponsoren und TV-Präsenz. Es ist ein Kampf, wie ihn hierzulande auch das Schwimmen führt. Die zwei olympischen Kernsportarten strampeln quasi im selben Hamsterrad, bemüht um nicht weniger als das Bewahren der eigenen Wichtigkeit im Leistungssport.

Beide müssen gucken, wo sie bleiben, wie sie im Schatten des alles erdrückenden Fußballs noch möglichst viele Brotkrumen an öffentlicher Wahrnehmung aufsammeln können. Dafür müssen sie jedoch einen Teufelskreis durchbrechen: Schwimmen wie Leichtathletik haben in Deutschland eine lange Tradition internationaler Erfolge vorzuweisen, doch genau die sind seit Jahren auch vor dem Hintergrund immer größerer internationaler Konkurrenz rar geworden. Das führt dazu, dass das öffentliche Interesse sinkt. Wo das öffentliche Interesse sinkt, sinkt auch das Interesse des Fernsehens an Übertragungszeiten. So versteckten ARD und ZDF die Schwimm-WM in Budapest im Juli erstmals im Nischenprogramm und im Internet. Quiz-Sendungen im Vorabendprogramm erzielten mehr Quote, hieß es.

Wenn die TV-Präsenz sinkt oder ausfällt, wird eine Sportart uninteressanter für Sponsoren, was wiederum zur Folge hat, dass den Verbänden wichtige Gelder fehlen. Gelder, um Athleten wieder in Richtung Weltspitze bringen zu können.

Mehr Typen sind gefragt

Was fehlt, sind dann auch echte Stars. Stars, die eine Ausstrahlung über den Sport hinaus entwickeln. Stars, wie sie früher zu "Wetten, dass…?" eingeladen worden wären. Solche Typen brauchen die Schwimmer und Leichtathleten, um auch abseits von WM- und Olympia-Erfolgen Momente im Rampenlicht zu erhaschen, wie es jetzt 3000-Meter-Hindernis-Läuferin Gesa Krause mit ihrem vielbeachtet fairen Verhalten nach ihrem Rennen gelungen war.

Hinzu kommt die Doping-Problematik: Die Gesellschaft und genauso der Staat als Geldgeber erwarten von deutschen Athleten, dass sie sauber sind. Was eine ethisch nachvollziehbare Forderung ist, macht gleichzeitig das Verlangen von internationalen Erfolgen bei nicht-naivem Blick auf die Dinge einigermaßen illusorisch. Mit der Leistungssportreform sollte nun alles besser werden, doch die Sportarten haben die Reform längst als das nächste Problem für ihre Misere ausgemacht.

Anhand verschiedener Parameter soll das Erfolgspotenzial einer jeden Sportart gemessen werden, und darauf basierend Fördergelder verteilt werden. Doch über die Höhe der zu verteilenden Gelder im Bundeshaushalt herrscht seit Monaten Streit. Der Sport stellte zwischenzeitlich sogar das Scheitern der Reform in Aussicht. Hoffnung auf den großen Wurf hat jedenfalls so richtig niemand mehr. Im Gegenteil: Geschichten von Athleten, die in den Medien klagen, dass Leistungssport ein Zuschussgeschäft ist, das sie nur mit Unterstützung der Eltern finanzieren können, nehmen gefühlt mit jedem Monat zu.

Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz skizzierte nach der enttäuschenden WM in Budapest mit nur einer Silbermedaille — und vor dem Hintergrund von zuletzt zwei medaillenlosen Olympischen Spielen im Becken — eine düstere Zukunft. "Aktuell liegen wir in der Länderwertung auf dem 16. oder 17. Platz", sagte Lambertz der "tz". "Wir müssen uns von unten wieder nach oben arbeiten." Vielleicht könne man in zehn Jahren den Anschluss wieder schaffen, sagte er.

Und die deutsche Leichtathletik? Die kehrte mit der Bilanz von dann doch noch fünf Medaillen aus London heim. Und sie kann zumindest auf Talente verweisen, die schon Richtung Olympia 2020 in Tokio Hoffnung machen. Talente wie Gina Lückenkemper, Konstanze Klosterhalfen oder Hannah Klein. Das Hoffen auf deren Durchbruch dokumentiert indes eine weitere Krux: Schwimmer wie Leichtathleten brauchen Zeit, um Sportler zu entwickeln und sie zum Höhepunkt Olympia hin aufzubauen. Gleichzeitig brauchen sie aber auch jedes Jahr, ja bei jedem Wettkampf Erfolge, um im Gespräch zu bleiben. "London ist ein klarer Arbeitsauftrag: Wir müssen stärkere Anstrengungen bis Tokio unternehmen", sagte Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop. Wenn sie denn größere Anstrengungen finanziert bekommen.

(klü)
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