Leichtathletik-WM Medaillengaranten sind Mangelware

Düsseldorf/London · Die am Samstag beginnende Leichtathletik-WM steht im Zeichen des Abschieds von Usain Bolt. Deutsche Hoffnungen auf Edelmetall ruhen vor allem auf den Speerwerfern. Für weitere Podestplätze müsste schon einiges zusammenkommen.

Leichtathletik-WM 2017: Die deutschen Medaillenchancen
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Die deutschen Medaillenchancen

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Als die versammelte Leichtathletik im vergangenen August unisono ihre Enttäuschung über die schlechte Stimmung im Olympiastadion von Rio kundtat, schwang in der Kritik immer auch die Erinnerung an die Spiele von London 2012 mit, an ausverkaufte Ränge, begeisternde Atmosphäre und ein faires, fachkundiges Publikum. Mit entsprechender Vorfreude kehren die Leichtathleten deswegen auch morgen in die englische Hauptstadt zurück. An den kommenden zehn Tagen suchen rund 2000 Athleten aus 205 Nationen ihre Weltmeister in 47 Disziplinen.

Was wird der Höhepunkt der WM? Kein Zweifel: Alle fiebern auf den kommenden Samstagabend, 22.45 Uhr deutscher Zeit, hin. Das 100-Meter-Finale soll die Karriere des Usain Bolt krönen. Der jamaikanische Superstar will mit den WM-Goldmedaillen Nummer zwölf und 13 (mit der 4x100-Meter-Staffel eine Woche später) abtreten. Doch die Vorzeichen lassen zumindest Zweifel aufkommen, ob das Vorhaben zum Selbstläufer wird. In der Weltjahresbestenliste liegt der 30-jährige Weltrekordinhaber (9,58 Sekunden/2009 in Berlin) nur auf Rang sieben. Und nur einmal rannte er in dieser Saison unter zehn Sekunden: 9,95 in Monaco. Indes: Bolts Selbstvertrauen scheint nach wie vor unantastbar. "Ich bin immer noch der Schnellste, ohne Zweifel", sagte er unter der Woche. "Ich kann nur sagen: Ich bin eine Legende, das habe ich bewiesen."

Was sollen die Highlights aus deutscher Sicht werden? Die größten Hoffnungen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) auf einen mit rund 50.000 Euro dotierten WM-Titel ruhen auf den Speerwerfern. Schließlich führen gleich drei Deutsche die Weltjahresbestenliste an: Johannes Vetter (94,44 Meter) vor Olympiasieger Thomas Röhler (93,90) und Andreas Hofmann (88,79). Ansonsten ist nur noch in einer anderen Disziplin ein DLV-Athlet aktuell der Beste der Welt: Zehnkämpfer Rico Freimuth mit seinen Ende Juni in Ratingen erzielten 8663 Punkten. Ernsthafte Medaillenchancen hat zudem Siebenkämpferin Carolin Schäfer.

Und was ist mit Robert Harting, dem lange Zeit einzigen Star der deutschen Leichtathletik? Der Weltmeister von 2009, 2011 und 2013 und Olympiasieger von 2012 ist im Diskuswettbewerb diesmal nicht der große Favorit. Das ist der Schwede Daniel Ståhl. Doch Harting ist mit 32 Jahren immer noch in der Lage, den einen weiten Wurf in die hohen 60 Meter rauszuhauen, den es für eine Medaille bedarf.

Wie sind die deutschen Aussichten generell? Im Vorjahr, bei den Olympischen Spielen in Rio, gab es drei Medaillen für den DLV, bei der WM 2015 in Peking waren es acht. An diese acht heranzukommen, dürfte schwer werden, denn in Betty Heidler (Hammerwurf), Christina Obergföll und Linda Stahl (beide Speerwurf) haben gleich drei konstante Medaillenkandidatinnen vergangener Jahre ihre Karriere beendet. Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz macht zudem eine Babypause, und Cindy Roleder, Europameisterin über 100 Meter Hürden, ist verletzt.

Doch auch so mangelt es unter den 72 WM-Fahrern nicht an vorzeigbaren Talenten - allein, damit es am Ende auch zu einer Medaille in London reicht, müsste bei Gesa Krause, der WM-Dritten von 2015 über 300 Meter Hindernis, bei Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz, Dreisprung-Europameister Max Heß, Hochspringer Mateusz Przybylko oder der 4x100-Meter-Staffel der Frauen mehr passen, als nur die eigene Leistung. Gespannt ist man beim DLV auf den Auftritt der Leverkusener U23-Europameisterin Konstanze Klosterhalfen (20) über 1500 und 5000 Meter, denn die 20-Jährige ist inzwischen in der erweiterten Weltspitze angekommen.

Warum dürfen diesmal wieder russische Athleten teilnehmen? Der russische Verband bleibt wegen des aufgedeckten Staatsdopings wie schon in Rio gesperrt, aber der Weltverband IAAF lässt 19 russische Athleten mit einer Sondergenehmigung als neutrales Team starten. Diese haben laut IAAF die Anforderungen des internationalen Anti-Doping-Programms erfüllt. Juri Borsakowski, Cheftrainer des neutralen Teams, kalkuliert mit sieben Medaillen.

Welche TV-Sender übertragen die WM? ARD und ZDF übertragen im täglichen Wechsel live - im TV wie im Livestream, Eurosport überträgt ebenfalls jeden Tag live.

(klü)
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