Behnderter Weitspringer knackt Weltrekord Rehms Erfolge sind weiter ein Problem

Leverkusen · Durch seinen Weltrekord belebt der behinderte Springer die Diskussion um Vergleichbarkeit von Leistungen.

Markus Rehm sensationell deutscher Weitsprung-Meister
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Behinderter Rehm sensationell deutscher Weitsprung-Meister

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Foto: dpa, shp hak

Die Woche vor Pfingsten ist für Markus Rehm mit vielen Reisen verbunden. Für den Behindertensportler des TSV Bayer Leverkusen hat die WM-Saison begonnen. Er pendelt zwischen Leverkusen, Barcelona und Hengelo in den Niederlanden. Gleich bei seinem ersten Start in Spanien verbesserte der 26-Jährige seinen eigenen Weitsprung-Weltrekord auf 8,29 m.

Was diese Leistung umso bemerkenswerter macht: Rehm fehlt der rechte Unterschenkel. Er springt mit Prothese. Und er springt damit so weit, dass er seine nicht-behinderten Kollegen besiegen kann. Der Leverkusener steigerte seinen Weltrekord bereits bei den Deutschen Meisterschaften im vergangenen Juli auf 8,24 m und schnappte dem ehemaligen Europameister Christian Reif den Titel weg. Damit erfüllte er zugleich die Kriterien für eine Teilnahme an den Europameisterschaften der Nicht-Behinderten.

Doch nominiert wurde er vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) nicht. Der argumentierte, Rehms Prothese habe ihm möglicherweise einen Vorteil verschafft. Zwar durfte er seinen Titel behalten, verteidigen darf er ihn in zwei Monaten aber nicht. Um Rechtssicherheit zu erhalten, beschloss der DLV, dass sich Rehm künftig mit nichtbehinderten Sportlern messen kann, aber getrennt gewertet wird.

Gelöst ist das Problem damit jedoch nicht. Vielmehr hat Rehms jüngster Rekord die Diskussion um Inklusion im Spitzensport und der Vergleichbarkeit von Leistungen wieder aufflammen lassen. Man wollte Antworten liefern, kündigte Untersuchungen an. Ergebnisse gibt es aber auch zehn Monate später nicht. "Mit mir hat von DLV-Seite seit den Meisterschaften bezüglich einer Messung niemand gesprochen", bestätigt Rehm, der sich eine einheitliche Regelung wünscht.

Diese könne aber nur im gemeinsamen Dialog entwickelt werden. Rehm hat sich davor nie gedrückt. "Ich habe nie versucht, etwas zu verheimlichen und habe immer gesagt, dass ich bei der Aufklärung helfen will. Das tue ich aber schon über ein Jahr", entgegnet er und betont: "Ich möchte ein fairer Gewinner sein, und sehe solche Wettkämpfe als schöne Chance, mich mit anderen Sportlern zu messen. Sobald nachgewiesen wird, dass ich insgesamt Vorteile durch meine Prothese habe, möchte ich aus allen Ergebnislisten gestrichen werden."

Tatsächlich hat es der DLV versäumt, sich rechtzeitig auf diese Situation einzustellen. Rehm hatte bereits im Juli 2013 den Weltrekord von 7,95 Metern aufgestellt. Seine Trainerin Steffi Nerius wies den Verband damals darauf hin, dass ihr Schützling bis zu den Weiten der Sportler ohne Handicap vordringen kann. Bundestrainer Uwe Florczak gab nach Rehms Titelgewinn im ZDF zu, dass "wir hier geschlafen haben. Wir hätten vorher prüfen müssen, ob die Prothese ein unzulässiges Hilfsmittel ist."

"Markus hat verdient gewonnen"

Einige nicht-behinderte Athleten klagten gegen Rehms Titel, weil sie sich benachteiligt fühlten. Der unterlegene Christian Reif stellt sich dagegen hinter Rehm. "Ich bleibe dabei: Markus hat verdient gewonnen. Ich hätte es sauberer gefunden, wenn sich die Sportler vorher beschwert hätten, als erst gegen Markus zu springen, zu verlieren und dann zu klagen." Reif kritisiert die mangelhafte Kommunikation. "Ich habe aus den Medien erfahren, dass Markus seinen Titel behält. Das sagt schon alles", fügt er hinzu. "Ich finde es ein Unding, dass ein Sieger seinen Titel nicht verteidigen darf. Ich empfinde es fast als Armutszeugnis, dass der Verband nicht endlich klare Verhältnisse schafft."

Markus Rehm hat jede Kritik stets mit erstaunlicher Unaufgeregtheit an sich abprallen lassen. Was man weiß: Rehm läuft eher langsam an, springt aber dennoch sehr weit. Die Vermutung der Experten: Die Karbon-Feder begünstigt den Flug. Dafür gibt es aber keine Beweise. Auf Anfrage bestätigte der DLV, dass es biomechanische Untersuchungen gebe. Derzeit werde geprüft, welche Unterschiede Rehms Prothese gegenüber einer herkömmlichen habe.

Glücklich ist man auch innerhalb der Vereine mit der neuen Regel nicht. "Denn sie betrifft alle Athleten mit Prothese", sagt Jörg Frischmann, Geschäftsführer des TSV Bayer. Vor allem bei regionalen und Nachwuchs-Wettkämpfen sei es längst alltäglich, dass behinderte und nichtbehinderte Leichtathleten gemeinsam antreten und gemeinsam gewertet werden. "Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder nach Unfällen über den Sport zurück ins Leben finden, würden sie dann aber bei Wettkämpfen ausgrenzen, in dem wir sie getrennt werten. Das ist das Gegenteil von Inklusion."

Am Rande der Leichtathletik-WM in Peking im August soll sich nun der internationale Verband mit der Thematik beschäftigen. DLV-Sprecher Eberhard Vollmer bestätigte, dass der DLV den Antrag stellte, die deutsche Regelung auch international anzuerkennen. Für Rehm, dem der Veranstalter beim Meeting in Hengelo an Pfingsten eine gemeinsame Wertung zusagte, heißt das, dass er in China nicht starten darf. Eine einheitliche Lösung ist weiter nicht in Sicht.

(RP)
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