Kampf um Olympia-Teilnahme Rehm setzt Weltverband unter Druck

Köln · Eine neue Studie beweist nicht eindeutig, ob der beinamputierte Weitspringer im Wettkampf Vorteile durch seine Prothese hat. Nun will der Leverkusener Athlet mit der IAAF über seine Olympia-Teilnahme verhandeln.

Markus Rehm hatte für seine Bühne einen symbolträchtigen Ort gewählt - und dazu ein wichtiges Datum. 100 Tage vor dem Beginn der Paralympics in Rio saß der Leverkusener Prothesenspringer auf einem Podium im Kölner Sport & Olympia Museum. Umgeben von Bildern und Ausstellungsstücken, die ein Bild von der langen Sportgeschichte zeichnen, wollte er die klare Botschaft senden, dass er an seinem großen Traum festhält.

Markus Rehm - Leistungssportler mit Prothese
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Das ist Markus Rehm

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Der unterschenkelamputierte Weitspringer möchte in diesem Sommer sowohl bei den Olympischen Spielen als auch bei den Paralympics starten. Dass er zumindest weiter darauf hoffen darf, verdankt er den Ergebnissen einer Studie, die er mit Sportwissenschaftlern aus Köln, Japan und den USA gemeinsam vorstellte. Die Untersuchung wurde zunächst für eine japanische TV-Sendung durchgeführt. Dabei sollte vor allem geklärt werden, warum Rehm deutlich weiter als andere Athleten mit vergleichbarer Behinderung springt und auch mit den Besten ohne Behinderung mithalten kann. Untersucht wurden Beschleunigung und Sprungbewegung von drei beinamputierten und sieben nicht-beinamputierten Weitspringern "von internationalem Format". Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass "zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig ausgesagt werden kann, dass die Prothese von Markus Rehm ihm beim Weitsprung einen oder keinen Gesamtvorteil gegenüber nichtbehinderten Athleten bietet", heißt es.

Demnach habe man "Nachteile bei Athleten mit Unterschenkelamputationen beim Anlauf" festgestellt, die man eindeutig der Prothese zuweisen konnte, erklärte Professor Wolfgang Potthast, der die Untersuchungen an der Deutschen Sporthochschule in Köln leitete. Beim Absprung seien die Prothesen-Springer allerdings deutlich im Vorteil, weil die Carbon-Prothesen mehr Energie speichern und dem Springer zurückgeben als das Muskeln, Sehnen oder Bänder können. "Das sind völlig unterschiedliche Bewegungstechniken, die Stand jetzt nicht eindeutig gegeneinander aufzuwiegen sind."

 Laut einer wissenschaftlichen Studie, deren Ergebnis am Montag in Köln präsentiert wurde, zieht Rehm keinen eindeutigen Vor- und Nachteil aus seiner Prothese.

Laut einer wissenschaftlichen Studie, deren Ergebnis am Montag in Köln präsentiert wurde, zieht Rehm keinen eindeutigen Vor- und Nachteil aus seiner Prothese.

Foto: dpa, RP

Eine eindeutige Antwort fanden auch die Wissenschaftler nicht. Rehm, der sich selbst mehr Klarheit erhofft hatte, nahm das Urteil in seiner unaufgeregten Art zur Kenntnis. "Man konnte keinen Vorteil durch die Prothese feststellen. Das macht mich glücklich", sagte der Athlet des TSV Bayer. Ob das aber reicht, den internationalen Leichtathletik-Verband IAAF zu überzeugen, ist fraglich. Schließlich hatte dieser Rehm auferlegt, beweisen zu müssen, keinen Vorteil durch seine Prothese zu haben. Der ist in der Absprungphase aber offenkundig gegeben.

Seit er vor zwei Jahren bei den Deutschen Meisterschaften den Titel gewann, sechs seiner sieben Finalgegner Protest einlegten und ihn der Deutsche Leichtathletikverband nicht für die EM in Zürich nominierte, gärt dieses Thema. Seither wehrt er sich gegen den Verdacht, er springe nur dank seiner Karbonprothese so weit. "Diese zwei Jahre sind nicht spurlos an mir vorbeigegangen", sagte Rehm.

Seinen DM-Titel im vergangenen Jahr durfte der 27-Jährige nicht verteidigen, der mit einer Bestleistung von 8,40 Meter im Behindertensport längst keine Gegner mehr hat. Er musste außer Konkurrenz starten und gewann auch da. "Nach dem Leitspruch 'Im Zweifel für den Angeklagten' könnte ich jetzt versuchen, mich nach Rio zu klagen", sagte Rehm, der jüngst mit 8,18 Metern die Olympia-Norm erfüllte (8,15). "Das ist aber nicht mein erster Weg. Mir geht es auch nicht darum, eine Medaille zu gewinnen. Ich will mich mit den Besten messen. Dafür starte ich gerne in einer getrennten Wertung."

67 Tage bleiben bis zum Beginn der Sommerspiele. Rehm nimmt die IAAF in die Pflicht, die sich bisher "erfolgreich versteckt" habe. "Diesem Weltverband würden positive Geschichten gut tun. Ich erwarte, dass ein Schritt auf mich zu gemacht wird. Inklusion ist keine Einbahnstraße. Die IAAF hat die gesellschaftliche Pflicht, sich Gesprächen zu öffnen", forderte der 27-Jährige.

Vom deutschen Leichtathletikverband erhält er keine Unterstützung: "Die Ergebnisse des Gutachtens zeigen, dass Markus Rehm nicht den Beweis erbringen kann, dass er durch seine Prothese keinen Vorteil besitzt", sagte Präsident Clemens Prokop.

(RP)
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