Medaillenvergaben nach Doping-Fällen Herzlichen Glückwunsch nachträglich

Dortmund · Erneute Medaillenvergabe nach vielen Jahren: Weil Dopingsünder rückwirkend überführt werden, erhalten andere Athleten Jahre später Edelmetall. Vor allem in der Leichtathletik treibt das kuriose Blüten.

 Diana Sujew (l.) bekam Mitte Februar die Silbermedaille für den zweiten Platz im 1500-Meter-Finale der Leichtathletik-EM 2012 überreicht.

Diana Sujew (l.) bekam Mitte Februar die Silbermedaille für den zweiten Platz im 1500-Meter-Finale der Leichtathletik-EM 2012 überreicht.

Foto: dpa, shp fgj

Am 1. Juli 2012 lief Diana Sujew (Frankfurt/M.) nach eigener Aussage das "beste Rennen meiner Karriere". Im 1500-Meter-Finale der Leichtathletik-EM von Helsinki überquerte die damals 21-jährige, in Riga geborene Sportsoldatin als Sechste überglücklich in 4:09,28 Minuten die Ziellinie. Fünfeinhalb Jahre später stehen in den Statistiken für Sujew immer noch diese 4:09,28, aber sie wird nicht mehr auf Rang sechs geführt. Inzwischen steht sie auf Rang zwei und bekam deswegen Mitte Februar bei den deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund nachträglich die Silbermedaille verliehen. Sujew ist mittlerweile 27. Und sie weinte vor Rührung über ihre erste internationale Medaille.

Wie kann eine Läuferin in einem beendeten Rennen noch vier Plätze vorrücken? Die Antwort: Doping macht's möglich. Zumindest indirekt. Denn bis auf Nuria Fernandez aus Spanien wurden alle anderen vor Sujew Platzierten des Betrugs überführt: die Türkin Asli Çakir Alptekin, die damals Gold holte, ihre Landsfrau Gamze Bulut (Silber), die Ukrainerin Hanna Mischtschenko (Bronze) und die Russin Jekaterina Gorbunowa, die den vierten Platz belegt hatte. "Die Zeiten waren damals schon krass. Aber dass es ein so schmutziges Rennen war, hätte ich nicht gedacht", sagte Sujew. Ihr Fall ist einer der kuriosesten, was die Neubewertung von Rennergebnissen infolge von Doping angeht.

Länger, nämlich acht Jahre, musste der ehemalige Hammerwerfer Markus Esser (TSV Bayer Leverkusen) warten, eher er 2013 auf den Silberrang der WM 2005 vorrückte. Der ursprüngliche Zweite, der Weißrusse Wadsim Dsewjatouski war im Nachhinein des wiederholten Dopings überführt worden - genauso wie sein Landsmann Iwan Zichan, der 2015 Gold gewonnen hatte. "Mir geht es weniger um finanzielle Aspekte. Aber ich bin damals vermutlich um etwas Großes gebracht worden: die Siegerehrung, die Ehrenrunde im Stadion. Das sind die Dinge, auf die man als Sportler hinarbeitet", sagte der betrogene Esser.

Gesa Felicitas Krause wurde vor einigen Wochen in Dortmund auch ein herzlicher Glückwunsch nachträglich zuteil. Die aktuelle 3000-Meter-Hindernis-Europameisterin erhielt die Bronzemedaille der EM 2012. Krause (als damals 19-Jährige in 9:38,20 Minuten auf Rang vier) rückte vor, weil Silbermedaillengewinnerin Svitlana Shmidt (Ukraine) als Dopingsünderin disqualifiziert wurde. Silber statt Bronze ging an Antje Möldner-Schmidt (9:36,37). "Ich habe sehr lange darauf gewartet. Die Medaillenübergabe war ein sehr emotionaler Moment für mich", sagte Krause nun in Dortmund.

Doch wie sehr kann unterm Strich eine nachträgliche Siegerehrung einen betrogenen Athleten entschädigen, wo doch der eigentlich große Moment gestohlen bleibt? "Wir halten es für wichtig und richtig, dass Medaillen nachträglich vergeben werden - an diejenigen, die sie verdient und fair gewonnen haben. Auch wenn diese dann nicht mehr im eigentlichen Moment übergeben werden können, sollte die Zeremonie in einem würdigen Rahmen stattfinden. Hierzu bietet sich auch eine Übergabe bei aktuellen Meisterschaften im Stadion und vor Publikum an", findet die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada).

Die Leichtathletik führte nachträgliche Ehrungen in großem Stil im vergangenen Sommer bei der WM in London durch, als zigtausende Zuschauer eine akzeptable Ersatzkulisse bieten konnten. Die Leverkusener Siebenkämpferin Jennifer Oeser bekam Silber von der WM 2011 in Daegu (Südkorea) umgehängt. Die ursprüngliche Siegerin Tatjana Tschernowa (Russland) war bei Nachtests der Einnahme verbotener Mittel überführt worden.

Auf die Frage, was Oeser ihrer Kontrahentin Tschernowa sagen würde, wenn sie sie noch einmal träfe, sagte die frühere Leverkusenerin der "Sportschau": "Dass sie gerne vorbeikommen und die Euros bei mir im Garten abarbeiten kann - oder mir einen Urlaub buchen. Das Geld ist ja eine Sache. Viel schlimmer finde ich aber, dass so viele Frauen im Bewusstsein dopen, später auch Kinder bekommen zu wollen." Tschernowa sei wegen auffälliger Blutwerte aus dem Verkehr gezogen worden. "Im Herbst war sie schwanger. Da geht es nicht nur um ihre Gesundheit, sie setzt auch die des Kindes aufs Spiel."

(klü)
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