IAAF-Chef Coe unter Druck Neue Enthüllungen schocken die Leichtathletik

Düsseldorf · Das Image endgültig zerstört, Präsident Sebastian Coe unter Druck - und sogar Russlands Staatschefs Wladimir Putin soll mitgemischt haben: Neue Details im Doping- und Korruptionsskandal fällen ein vernichtendes Urteil über den internationalen Leichtathletik-Weltverband IAAF.

 IAAF-Präsident Sebastian Coe.

IAAF-Präsident Sebastian Coe.

Foto: ap, KJ

Der zweite Teil des Untersuchungsberichts der unabhängigen WADA-Kommission attestiert der IAAF einen "kompletten Zusammenbruch" der Führungsstruktur.

Der Kommissionsvorsitzende Richard Pound und sein Team kommen zu dem Schluss, dass Korruption "in der Organisation verwurzelt" war. Für die dubiosen Vorgänge rund um den ehemaligen Präsidenten und "Drahtzieher "Lamine Diack könne "keine kleine Zahl von Tätern verantwortlich gemacht werden". Dies hatte die IAAF zuletzt immer behauptet. Zudem gerät Coe immer weiter unter Druck.

Der Engländer sitzt seit 2003 im IAAF-Council, dem höchsten Gremium des Weltverbandes - von 2007 bis 2015 war Coe Vize-Präsident unter Diack. Die WADA-Kommission stellte nun fest, dass die Mitglieder des IAAF-Councils von den verdächtigen Vorgängen rund um positive Dopingproben russischer Leichtathleten gewusst haben müssten.

Coe, selbst in München vor Ort, hatte am Mittwoch erneut jegliche Vertuschungsvorwürfe gegen seinen Verband zurückgewiesen. "Die Sache ist einfach: Wurden alle Unregelmäßigkeiten verfolgt? Die Antwort lautet: Ja. Wurden Strafen verhängt und publik gemacht? Ja. Wurde etwas vertuscht? Nein", sagte der 59-Jährige in Fernsehinterviews.

Helmut Digel, ehemaliger Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und Council-Mitglied von 1995 bis 2015, wies den Vorwurf der organisierten Korruption zurück. "Das ist nicht akzeptabel", sagte Digel dem SID: "Ich habe von diesen Vorgängen zu keinem Zeitpunkt etwas gewusst." Er habe sich immer wieder "mit Herrn Diack angelegt". Aber Präsidenten hätten in der Strukturen der Verbände eine nahezu "uneingeschränkte Macht", gegen die es nicht so einfach ist, "vorzugehen". Digel hätte sich "niemals vorstellen können, dass es solche Ausmaße der Korruption innerhalb der IAAF geben könnte".

Die Glaubwürdigkeit der IAAF im Anti-Doping-Kampf liegt nach den neuesten Enthüllungen der WADA-Kommission damit mehr denn je am Boden. Vor der WM in Moskau hätten russische Athleten gesperrt werden müssen, doch hochrangige IAAF-Funktionäre taten offenbar nichts. Dies soll im Zusammenhang mit dem Abschluss eines TV-Vertrages für die Titelkämpfe gestanden haben.

Auch Putin hatte offenbar seine Finger im Spiel. So soll der ehemalige IAAF-Präsident Lamine Diack im Vorfeld der Leichtathletik-WM 2013 in Moskau das Gespräch mit Putin gesucht haben, um mit ihm die Problematik von neun des Dopings verdächtigen russischen Athleten zu lösen. Ob es zu einem Deal kam, ist offen. Schlussendlich, so der Bericht, sei keiner der verdächtigen Sportler in Moskau an den Start gegangen.

Schon im ersten Teil des Untersuchungsberichts hatte Pound massive Dopingverfehlungen in der russischen Leichtathletik festgestellt, unter anderem wurde daraufhin der russische Verband ARAF aus der IAAF ausgeschlossen. Den russischen Leichtathleten droht damit das Aus für Olympia in Rio.

Gegen den ehemaligen IAAF-Präsidenten Diack und weitere Beschuldigte läuft in Frankreich ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Geldwäsche. Die Ethikkommission des Verbandes sperrte in der vergangenen Woche Diacks Sohn Papa Massata, den ehemaligen IAAF-Schatzmeister und russischen Leichtathletik-Präsidenten Balachnitschew sowie den ehemaligen russischen Cheftrainer Alexej Melnikow lebenslang. Gabriel Dolle, ehemaliger Leiter der Anti-Doping-Abteilung der IAAF, wurde für fünf Jahre gesperrt.

(sid)
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