Paralympics-Star Pistorius kommt unter Auflagen vorzeitig frei

Pretoria · Ein Jahr sitzt Oscar Pistorius in Haft. Am Dienstag darf er das Gefängnis verlassen und in den Hausarrest. Doch die begrenzte Freiheit könnte von kurzer Dauer sein. Denn die Staatsanwälte fordern ein höheres Strafmaß.

Der Augenblick, auf den die Familie von Ex-Sportstar Oscar Pistorius so lange gehofft hat, wird am kommenden Dienstag Wirklichkeit. Dann sollen sich die Tore des Kgosi Mampuru-Gefängnisses in Südafrikas Hauptstadt Pretoria für den einstigen Paralympics-Star öffnen, der als beinamputierter Sprinter Sportgeschichte geschrieben hatte. Nach einem chaotischen Hin und Her der Justiz entschied die Bewährungskommission der Haftanstalt am Donnerstag, dass der einstige Athlet wegen guter Führung am 20. Oktober in den Hausarrest entlassen wird. Fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem der 28-Jährige zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war.

Der Südafrikaner hatte seine Freundin Reeva Steenkamp 2013 mit vier Schüssen durch eine geschlossene Toilettentür getötet — im Prozess gab er an, dahinter Einbrecher im gemeinsamen Haus vermutet zu haben. Im Oktober 2014 wurde er dafür zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er hat sich in Haft gut geführt, daher darf er nach Verbüßung eines Sechstels seiner Strafe in Hausarrest wechseln.

Über seine Zeit im Gefängnis ist nur wenig nach außen gedrungen. Wegen seiner Behinderung wurde er in einem Krankenhaustrakt untergebracht, wo er er wesentlich bessere Bedingungen als in den normalen Zellen hatte.

Offiziell noch unklar ist, wo Pistorius seine begrenzte Freiheit nun verbringen wird. Beobachter vermuten, dass er die Luxusvilla seines Onkels in Pretoria beziehen wird, wo er auch während des Prozesses gelebt hatte.

Die Koffer dürfte er allerdings gepackt lassen können. Denn nur zwei Wochen später, am 3. November, steht in Bloemfontein die Berufung der Staatsanwaltschaft zur Verhandlung an. Sie hat Berufung gegen das Totschlagsurteil eingelegt und möchte ihn nach südafrikanischem Recht wegen Mordes verurteilt sehen. Das würde in Deutschland zwar juristisch noch immer einem Totschlag nahe kommen, doch wäre die Strafe dafür weitaus höher.

In Südafrikas Öffentlichkeit polarisiert der Name Pistorius auch weiterhin. In einem Land, in dem Schwarz und Weiß auch 25 Jahre nach dem Fall der rassistischen Apartheid-Politik noch immer eher neben- statt miteinander leben, steht Pistorius als eine Art Symbol für den vermögenden Weißen. Als ein Privilegierter, der sich anders als viele schwarze Täter seine Freiheiten durch teure Anwälte erkaufen kann.

Der Fall hat daher durchaus auch eine politische Komponente. Die angesichts schwindender Wählerstimmen unter Druck stehende Regierung hatte ein Interesse daran, dass Pistorius trotz des massiven internationalen Medieninteresses an dem Sensationsprozess um den wohl berühmtesten Behindertensportler der Welt keine Vorzugsbehandlung gewährt wird. Dass sie dabei aus Sicht der Familie Pistorius überreagierte, machte sie in einer ihrer seltenen Erklärungen klar.

Mit Unverständnis hatte sie noch vor einer Woche auf immer wieder eintretende Verzögerungen bei der geplanten Haftentlassung reagiert. Sie war zunächst für August geplant, wurde aber im letzten Moment vom Justizminister blockiert. Dann folgte eine erneute Verschiebung. "Diese Erfahrung drängt uns zu dem unangenehmen Schluss, dass der öffentliche, politische und mediale Hype - der sich um Oscars Verfahren entwickeln konnte - sein Recht beeinträchtigt hat, wie jeder andere Gefangene auch behandelt zu werden", erklärte die Familie.

Dass der Name Pistorius weiterhin Aufmerksamkeit erregt, bewiesen zwei junge Südafrikaner erst vor kurzem. Mit Bierdosen in der Hand zeigte ein Video sie beim Rundgang durch Pistorius früheres Anwesen. Die Mieter kündigten darin an, ihr für knapp 2000 Euro gemietetes Haus künftig in einen Party-Palast umwandeln zu wollen - inklusive Besichtigung des einstigen Tatortes. Große Teile der Öffentlichkeit verurteilten das Video als schlicht geschmacklos.

(dpa)
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