Prothesen-Weitspringer Rehm: "Ich will keinen Sieg, den ich nicht verdiene"

Düsseldorf · Der Prothesen-Weitspringer kündigt nach seiner Nichtnominierung für die EM in Zürich weitere Messungen an.

Rehm darf nicht bei der EM starten: Reaktionen
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Foto: dpa, dka hak nic

Als Markus Rehm bei den Deutschen Meisterschaften der Nichtbehinderten in Ulm nach 8,24 Metern Flug im Sand landete, wusste er, dass er Großes geleistet hatte. Die Sportwelt dagegen sah seinen Sprung mit Skepsis: Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) nominierte den Prothesen-Springer am Mittwoch nicht für die EM in Zürich (12. bis 17. August), obwohl der Göppinger die Norm von 8,05 Metern locker erreichte.

Trotz des Rückschlags wirkte Rehm gestern im Trainingslager in Kienbaum alles andere als verbittert - er wusste vorher, was auf ihn zukommen würde. Premieren und Rekorde ziehen grundsätzlich Skepsis mit sich. Der beidseitig beinamputierte Sprinter Oscar Pistorius war 2008 bis vor den internationalen Sportgerichtshof gezogen und hatte erfolgreich sein Startrecht eingeklagt. Von einer solchen Klage will Rehm absehen. Stattdessen will er weitere Messungen durchführen lassen und unter Umständen auf seine am vergangenen Wochenende in Ulm gewonnene Medaille verzichten. "Wenn mir ein Vorteil nachgewiesen wird, lass' ich mich aus allen Listen streichen und gebe die Medaille zurück", sagte der 25-Jährige: "Ich will keinen Sieg haben, den ich nicht verdiene."

Der DLV hatte in Zusammenarbeit mit Biomechanikern des Olympiastützpunktes Frankfurt Rehms Anlauf und Absprung mit denen seines nichtbehinderten Konkurrenten Christian Reif verglichen, der bei den Deutschen Meisterschaften 8,20 Meter sprang. Rehms Anlaufgeschwindigkeit lag mit 9,72 Meter pro Sekunde (m/s) unter der von Reif (10,74 m/s). Beim Absprungwinkel erreichten beide Sportler mit 22,4 Grad den gleichen Wert, allerdings sprang Rehm höher und schneller. Den Biomechanikern zufolge ist es einem nichtbehinderten Athleten noch nie gelungen, mit einem derart geringen Anlauftempo so schnell und hoch abzuspringen. "Wir leben Inklusion. Es besteht aber der deutliche Zweifel, dass Sprünge mit Beinprothese und mit einem natürlichen Sprunggelenk vergleichbar sind", erklärte DLV-Präsident Clemens Prokop.

Rehm kritisierte die Messungen: Durch die Prothese gebe es auch Nachteile, die nicht berücksichtigt worden seien. Seine Trainerin Steffi Nerius warf dem DLV Versäumnisse vor. "Ich finde es schade, dass Markus dafür bestraft wird, dass der DLV es vor einem dreiviertel Jahr nicht geschafft hat, die Untersuchungen einzuleiten", sagte die frühere Speerwurf-Weltmeisterin.

Ob Rehm seine Medaille behalten darf - unabhängig davon, ob er sie freiwillig abgibt -, ist noch unklar. Der Bundesausschuss für Wettkampf-Organisation beim DLV entscheidet darüber. Anfang September wollen der DLV und der Deutsche Behindertensportverband den Fall in einer gemeinsamen Sitzung weiter bearbeiten.

(RP)
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