Robert Harting ist zurück Der Hochleistungskadaver dreht auf

Kassel · Robert Harting hat sich bei den Deutschen Meisterschaften zurückgemeldet. Im letzten Versuch sicherte sich der lange verletzte Diskus-Olympiasieger den Titel.

 Mit seinem neunten Titel bei Deutschen Meisterschaften lässt Robert Harting alte Klasse aufblitzen.

Mit seinem neunten Titel bei Deutschen Meisterschaften lässt Robert Harting alte Klasse aufblitzen.

Foto: dpa, bt jhe

Über die Tischmanieren von Robert Harting kann man geteilter Meinung sein. Gestern Morgen verbreitete der Diskuswerfer ein Video, in dem er sein Frühstücks-Ei auf dem Knie aufschlägt, um es anschließend zu pellen. Mahlzeit!

Über die Qualität Robert Hartings als Wettkämpfer hingegen gibt es keine zwei Meinungen. Der Zwei-Meter-Mann aus Berlin gehört zu den wenigen Kerlen, die auf den Punkt das Maximum aus ihrem Körper holen können. Einen weiteren Beweis dafür lieferte er gestern bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel - sechs Stunden nach Genuss des Frühstücks-Eis.

Vor mehr als 15.000 Zuschauern im Auestadion schleuderte Harting die Scheibe im letzten Wurf der Konkurrenz auf 68,04 Meter. Zoom! Der "Hochleistungskadaver", wie er seinen 31-jährigen, geschundenen Körper bezeichnet, kommt punktgenau in Form. Robert fing seinen bis dahin führenden Bruder Christoph ab und brüllte seine ganze Freude hinaus. "Hatte ich ein Glück! Mir glühte der Hintern im letzten Versuch", sagte Harting, der erst seinen dritten Freiluft-Wettkampf nach seinem Kreuzbandriss im September 2014 bestritt. Nach der Operation musste er das Jahr 2015 mit der WM in Peking als Höhepunkt auslassen und seine Rückkehr in dieser Saison aufgrund von Verletzungen mehrmals verschieben.

Der um sechs Jahre jüngere Christoph Harting, der mit 68,06 m knapp an der Spitze der deutschen Bestenliste blieb, darf ebenfalls für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro planen. Hinter dem polnischen Weltmeister Piotr Malachowski (68,15) sind die Harting-Brüder Nummer zwei und drei der Welt. Fünf deutsche Diskuswerfer hatten schon vor den Titelkämpfen in Kassel die Norm für Rio geschafft. "Ich habe mir ein Leben lang gewünscht, dass so eine große Leistungsdichte da ist. Das fordert mich enorm heraus", sagte Robert Harting.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wird dem Deutschen Olympischen Sportbund drei Athleten für die Spiele vorschlagen. Mehr darf er nicht entsenden. Denn anders als bei Weltmeisterschaften hat der Goldmedaillengewinner der zurückliegenden Spiele bei Olympia, in diesem Fall Robert Harting, kein automatisches Startrecht. Olympia kennt keine Titelverteidiger.

Der 31-Jährige dürfte auch bei den Europameisterschaften Anfang kommenden Monats im Olympiastadion von Amsterdam starten. Der DLV entsendet mit voraussichtlich rund 110 Sportlern ein außergewöhnlich großes und sehr aussichtsreiches Team in die Hauptstadt der Niederlande. Seit 2012 finden in Olympiajahren auch Europameisterschaften statt. Robert Harting allerdings, der seine stattliche Titelsammlung vor vier Jahren in Helsinki und 2014 in Zürich um EM-Gold ergänzte, lässt die kontinentalen Titelkämpfe aus. Der dreimalige Weltmeister trainiert lieber, um sich für Rio zu präparieren. Zu seiner persönlichen Bestleistung fehlen ihm noch zweieinhalb Meter.

"Das werden die geilsten deutschen Meisterschaften meines Lebens", hatte Harting im Vorfeld gesagt. Er sprach von einer "richtigen Armageddon-Meisterschaft" und verglich Kassel so mit dem Ort der endzeitlichen Entscheidungsschlacht in der Offenbarung des Johannes.

Noch zu Beginn dieses Monats hatte er gesagt: "Es gibt eine klare Bedrohung, bei Olympia nicht dabei zu sein. Nicht vorneweg zu marschieren, nicht das zu erreichen, was ich mir für diese Saison vorgenommen habe. Ja, das ist auch Versagensangst. Da mache ich auch gar keinen Hehl daraus." Diese Sorge muss er nun nicht mehr haben.

Wohl aber eine andere. Die um seine Gesundheit. "Wir haben uns auch schon viele Fragen zum Zika-Virus gestellt", sagte er, "man darf ja nicht vergessen, dass das nachhaltig im Körper hängen bleibt. Das ist halt das Problem. Man trägt das mit, man führt das auch wieder nach Europa, das ist eine superschwierige Situation." Der Mann denkt viel nach.

(bei)
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