Leichathletik Vergabe der WM: Geld oder Seele?

Dohas Luxus, Barcelonas Flair oder Eugenes Bescheidenheit: Der Leichtathletik-Weltverband IAAF vergibt am Dienstag in Monaco die WM 2019. Für die Zukunft des Sports wird es eine wegweisende Entscheidung. Folgt die Leichtathletik weiter dem Ruf des Geldes, der lukrativen Märkte - oder kehrt die Volkssportart durch ein Nein zum Gigantismus zu ihren Wurzeln zurück?

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Foto: afp

"Wir suchen Innovationen, wollen 2019 nicht dasselbe zeigen wie 2013", sagte IAAF-Vizepräsident Sebastian Coe, der die Evaluierungs-Kommission auf ihrer Tour durch die Kandidatenstädte anführte: "Herz jeder Bewerbung muss die Erkenntnis sein, wie schnell sich die Welt, speziell die Jugend, verändert."

Coe wird 2015 wohl Weltverbands-Präsident. Die WM-Vergabe könnte somit einiges über die Marschroute des Briten aussagen, der als OK-Chef bei Olympia 2012 in London für begeisternde, nachhaltige, maßvolle Spiele stand.

Topfavoritin unter den Bewerberstädten, die sich am Dienstag dem IAAF-Council um DLV-Ehrenpräsident Helmut Digel abschließend präsentieren, ist jene, die mit Nachhaltigkeit und Mäßigung wenig am Hut hat: Doha will vor der umstrittenen Fußball-WM 2022 ein weiteres Großereignis ins kleine Emirat holen.

"Katar passt perfekt in den Globalisierungs-Plan der IAAF und ihre Vision, Leichtathletik in Nahost zu fördern", sagte Verbandschef Dahlan Al Hamad. Es wäre nach Osaka/Japan (2007), Daegu/Südkorea (2011) und Peking (2015) binnen zwölf Jahren die vierte WM in Asien.

Die Begebenheiten verlangen nach Sonderlösungen. Aufgrund der Sommerhitze würde die WM zum ungewohnt späten Zeitpunkt Ende September/Anfang Oktober, der Marathon abends unter Flutlicht ausgetragen werden. Zudem müsste einmal mehr gebaut werden: Keines der zwölf für die Fußball-WM geplanten Stadien hat eine Laufbahn.

Den Gegenentwurf zu Katar bietet die Kleinstadt Eugene/Oregon in den USA. In der bestimmenden Leichtathletik-Nation USA fand noch nie eine WM statt, die einzige Bewerbung (Palo Alto/2001) scheiterte. Eugene kann zwar begeisterungsfähiges Fachpublikum bieten, aber keine taugliche Wettkampfstätte: Das Hayward Field fasst derzeit 10.500 Zuschauer, bis 2019 soll die IAAF-Vorgabe von 30.000 Sitzplätzen knapp erfüllt werden. "Wir haben klare Anforderungen an Ausrichter", sagt Coe. Heißt: Bestehen Zweifel an organisatorischen Standards, ist Eugenes durchaus sympathische Bewerbung chancenlos.

Barcelona liegt nicht nur geografisch zwischen den Mitbewerbern. Eine WM in Kataloniens Metropole wäre eine Vernunft- und Kompromiss-Lösung - nicht hypermodern wie in Doha, kein Drahtseilakt wie in Eugene. Das Stadion auf dem Montjuic, 1992 Olympia- und 2010 EM-Schauplatz, ist zwar etwas in die Jahre gekommen, genügt aber durchaus internationalen Standards. Die städtische Infrastruktur ist vorhanden - Spaniens schwächelnde Wirtschaft würde auch keine großen Investitionen erlauben.

Barcelonas Nachteil: Bereits 2017 ist die WM in Europa zu Gast, in drei Jahren geht es nach London. Treibende Kraft der erfolgreichen Bewerbung war Coe persönlich, für die Unterlegenen hatte er damals wärmste Worte übrig: "Es wird nicht lange dauern, bis Katar seine WM bekommt." Als Council-Mitglied könnte sich Coe am Dienstag aktiv daran beteiligen, dass er Recht behält.

(sid)
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