Paralympics Leverkusener gewinnen Staffel-Gold

Rio De Janeiro · Sie sind Welt- und Europameister, Weltranglistenerste und nun haben sie bei den Paralympics gewonnen.

Die 4x100-Meter-Staffel setzte mit ihrer Goldmedaille ein Ausrufezeichen bei den Paralympics. Dabei hatten Markus Rehm, David Behre, Felix Streng und Johannes Floors (alle TSC Bayer Leverkusen) schon Silber gefeiert und waren eine Ehrenrunde gelaufen. Mitten im Jubel über Platz zwei erreichte sie die Nachricht von der Disqualifikation der USA. Was folgte, war eine Explosion der Gefühle für das Quartett des TSV Bayer Leverkusen. "Das war richtig krass. Als wir es gehört haben, ist der Puls auf 220 hochgeschossen und alle sind ausgerastet. Ich war eigentlich schon mit Silber zufrieden, weil wir Bestzeit gelaufen sind", sagte Markus Rehm.

Für die Staffel des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) ist es nach Welt- und Europameistertitel die Krönung. Sie gewann in der Europarekord-Zeit von 40,82 Sekunden. Der ewige Rivale aus den USA, der als Erster durchs Ziel gelaufen war, hatte sich beim zweiten Wechsel einen Fehler erlaubt. Gastgeber Brasilien (42,04) rutschte so noch auf den Silberrang. Die USA hätten sich durch ihren zu früh vollzogenen Wechsel einen deutlichen Vorteil erlaufen. 2012 waren die USA schon wegen desselben Missgeschicks disqualifiziert worden.

Die Staffel steht aber nicht nur für Spitzenleistungen, sondern auch für einen Wandel im inzwischen hochentwickelten Behindertensport. Markus Rehm ist der derzeit wohl bekannteste paralympische Athlet weltweit - nicht nur wegen seines Weitsprung-Weltrekordes. Er kämpft seit einigen Jahren darum, dass behinderte Sportler auch an den Wettkämpfen der Nichtbehinderten teilnehmen dürfen. Eigens dafür gab er eine Studie in Auftrag. Die Untersuchung sollte zweifelsfrei belegen, dass er keinen Vorteil durch seine Prothese hat. Die bisherigen Ergebnisse sind nicht eindeutig. Fortsetzung folgt. Sein Ziel, bei den Olympischen Spielen in Rio zu starten, gab er angesichts der knappen Zeit auf. Aber das nächste Ziel - die Leichtathletik-WM 2017 in London - hat er im Visier: Der Einsatz für die Emanzipation des Behindertensports ist eine Lebensaufgabe für ihn geworden.

Bisher geht es ihm vor allem darum, durch konstruktiven Dialog und Verständigung mit dem Leichtathletik-Weltverband (IAAF) eine Veränderung herbeizuführen. Sollte das nichts bringen, bliebe im Ernstfall aber immer noch der juristische Weg vor den Internationalen Sportsgerichthof CAS. "Nach wie vor eine Option", wie Rehm immer wieder betont. Sein Engagement macht ihn zu einer Ausnahmeerscheinung in der paralympischen Sportszene. Rehm (28) und auch Behre (29) stehen für eine Generation Behindertensportler, die sich emanzipieren und die nicht auf ihr Schicksal reduziert werden will.

Floors und Streng (beide 21) sind die Zukunft. Sie profitieren schon heute vom Kampf ihrer Vorgänger. Immerhin erhalten paralympische Athleten inzwischen die gleichen Prämien wie Olympioniken. Aber es geht nicht ums Geld, sondern um Inklusion - das Hauptthema der Paralympics. Der TSV Bayer ist in dieser Hinsicht einer der Vorreiter. Das gilt sowohl für die Trainingsmethoden als auch für das Miteinander im Verein. Nicht von ungefähr zieht es junge Talente wie etwa den Leichtathleten Léon Schäfer immer wieder nach Leverkusen. Nach einem Treffen mit Rehm habe er sich sofort für einen Wechsel an den Rhein entschieden, erzählt der 19-Jährige gebürtige Niedersachse.

Die gute Arbeit zeigt sich auch im Medaillenspiegel. Während die Ausbeute der Leichtathleten bei den Olympischen Spielen unter den Erwartungen blieb, gab es nun schon einige Erfolge bei den Paralympics zu feiern. Das ist auch ein Verdienst von Karl-Heinz Düe, der unter anderem die Staffel trainiert. "Ein alter Fuchs", sagte Behre über seinen Coach. "Er wusste, dass wir es über die Wechsel schaffen können."

(RP/sid)
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