McLaren-Report Teil 2 Dem Weltsport droht nächstes Doping-Beben

Berlin · Nicht weniger als die Glaubwürdigkeit des Weltsport steht auf dem Spiel, wenn am Freitag die Endfassung des McLaren-Reports in London vorgestellt wird.

Reaktionen zum McLaren-Bericht der WADA
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Foto: dpa, hkt bjw nic

Dem internationalen Sport droht das nächste Beben: Wenn Ermittler Richard McLaren am Freitag in London seinen Abschlussbericht zum Doping-Skandal in Russland vorstellt, könnte die ohnehin schon angeschlagene Glaubwürdigkeit des Sports weiteren massiven Schaden nehmen. Für etliche russische Athleten und sogar ganze Verbände stehen Sperren im Raum.

Auch aus diesem Grund fordert die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA als Initiator des Reports "klare Kante", zumal Russland nicht einsichtig sei, wie WADA-Gründungspräsident Dick Pound zuletzt mit deutlichen Worten feststellte: "Es ist, als würde man mit einem Alkoholiker umgehen: Man kann ihn nicht heilen, solange bei ihm kein Bewusstsein für das Problem besteht."

Auch im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) rechnet man mit dem Schlimmsten. Sollten nicht nur Einzeltäter, sondern gesamte Verbände in die Manipulationen verstrickt sein, "stellt sich die Frage nach einer Kollektivstrafe", sagte IOC-Mitglied und Ski-Weltverbands-Präsident Gian Franco Kasper dem SID.

15 Medaillengewinner sollen gedopt gewesen sein

Bereits in seinem Zwischenbericht hatte McLaren Russland von 2011 bis 2015 ein staatlich gelenktes Doping attestiert. Der Kanadier sprach von 643 manipulierten Proben in verschiedenen Sportarten. Bei den Spielen in Sotschi sollen mehrere Dutzend russischer Athleten, darunter 15 Medaillengewinner, gedopt gewesen sein.

McLarens bisherige Untersuchungen lesen sich wie ein klassisches Kriminalstück. Angeblich sollen in Sotschi die Doping-Proben mit Hilfe des russischen Geheimdienstes durch ein Loch in der Wand in ein Hinterzimmer gereicht worden sei. Dort wurden die Deckel der Flaschen geöffnet und der Urin des Athleten ausgetauscht.

Das IOC reagierte zunächst empört. IOC-Präsident Thomas Bach sprach von "einem erschreckenden und beispiellosen Angriff auf die Integrität des Sports und der Olympischen Spiele" und ergiff erste Maßnahmen, die die IOC-Exekutive am Mittwoch "bis auf weiteres" verlängerte. Dazu zählt, dass keine sportlichen Groß-Events in Russland stattfinden sollen.

Allerdings betonte Bach auch immer wieder, dass es sich nur um einen Zwischenbericht handele. In der Folge verzichtetet das IOC auf einen Komplett-Ausschluss Russlands von den Spielen in Rio - zum Ärger der WADA.

Nun guckt das IOC genau hin, wie McLaren den Angriff auf die olympische Idee belegt. Zwei Kommissionen hat das IOC bereits gegründet, die die Ergebnisse von McLaren aufgreifen sollen. Wahrscheinlich wird also noch einiges an Zeit ins Land gehen, bis die endgültigen Konsequenzen gezogen werden. Es kommen hektische Zeiten auf den Weltsport zu, die wahrscheinlich bis zu den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang/Südkorea andauern dürften.

USA erwägen WM-Boykott in Sotschi

Russland sieht sich indes ungeachtet aller Kritik auf dem richtigen Weg. Staatspräsident Wladimir Putin kündigte zuletzt an, dass sein Land "das modernste Anti-Doping-Programm" entwickeln werde. Führende Funktionäre fordern schon für das Frühjahr 2017 die Aufhebung aller Sanktionen inklusive der Sperre gegen die russische Leichtathletik.

Das Misstrauen anderer Länder in die Doping-Praxis Russlands ist jedoch weiterhin groß. Derzeit überlegen US-amerikanische Bob- und Skeleton-Fahrer, im Februar nicht an der WM in Sotschi teilzunehmen. Sollten derlei Boykott-Drohungen in Zukunft Schule machen, wäre das ein weiterer Schlag für den Weltsport, der am Freitag zunächst aber wohl eine seiner schwersten Stunden zu überstehen hat.

(sid)
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