"Bin ein stolzer, schwuler Mann" Erster Top-Boxer outet sich

San Juan/puerto Rico · Die Pressemitteilung von Orlando Cruz war nur wenige Sätze lang, doch sie zerschmetterte eines der größten Klischees, die das Profiboxen zu bieten hat: Boxer und schwul? Unmöglich! Orlando Cruz, 31 Jahre alter Federgewichtler und Anwärter auf die WM-Krone, ist, wie er selbst sagt, "ein stolzer, schwuler Mann". Nun gilt er weltweit als erster Top-Kämpfer, der sich geoutet hat.

Das ist Boxer Orlando Cruz
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Foto: dapd, Dennis M. Rivera Pichardo

"Ich habe mehr als 24 Jahre für meine Karriere gekämpft. Dabei wollte ich immer zu dem stehen, was ich mache", erklärte der siebenmalige Landesmeister Puerto Ricos. Cruz wollte ein Tabu brechen in der Harte-Männer-Welt des Boxens. Er sagte, er wolle für Kinder ein Vorbild sein, die im Boxen eine berufliche Karriere anstrebten. "Ich war und werde ein stolzer Puerto Ricaner sein, und ich war und werde immer ein stolzer Homosexueller sein", sagte Cruz, der 18 seiner 21 Profikämpfe gewonnen hat, neun davon durch K.o.

Bemerkenswert ist auch der Zeitpunkt seines Outings, während seiner Karriere. In zwei Wochen wird er schon wieder im Rampenlicht stehen. Am 19. Oktober wird er in Kissimmee/Florida im Federgewicht gegen den Mexikaner Jorge Pazos um die Krone des Nordamerika-Verbandes NABO kämpfen. Gewinnt er, gilt er als Anwärter auf einen großen WBO-Titelkampf - vielleicht nach seinem Outing mehr denn je.

Austragungsort des Kampfes ist die Kleinstadt Kissimmee im US-Bundesstaat Florida, wo Homosexuelle es nicht gerade leicht haben. Im "Sunshine State" sprachen sich 2008 62 Prozent der Bürger gegen Homo-Ehen und eingetragene Partnerschaften aus. Sie sind bis heute verboten. Seine Heimat Puerto Rico gilt dagegen als ausgesprochen liberal und auch als Geheimtipp für schwule Touristen - vielleicht mit ein Grund, der Orlando Cruz das Outing erleichtert hat.

Schwule Profiboxer, zumindest solche, die sich geoutet haben, hat es noch nicht gegeben. Der auf den Jungferninseln geborene Amerikaner Emile Giffith, in den 60er und 70er Jahren Weltmeister im Welter-, Halbmittel- und Mittelgewicht, outete sich nach dem Ende seiner Karriere als bisexuell.

"Ein Leben lang eingesperrt"

Die Bekenntnisse des heute 74-Jährigen in einem 2008 veröffentlichten Buch gehören zu den wenigen Dokumenten, die den Profisport mit Homosexualität in Verbindung bringen. "Ich muss immer daran denken, wie seltsam das ist. Ich töte einen Mann, und die meisten Leute verstehen das und verzeihen mir. Hingegen, ich liebe einen Mann, und so viele halten das für eine unverzeihliche Sünde, was mich zu einem schlechten Menschen macht", schrieb Griffith, der mit 310 gekämpften WM-Runden bis heute einen Weltrekord hält: "Wenn ich auch nicht im Gefängnis gelandet bin, so war ich trotzdem fast mein ganzes Leben lang eingesperrt."

Gunter A. Pilz, renommierter Sportsoziologe aus Hannover, glaubt, das Cruz' Ausbruch aus dieser Gefangenschaft dem Boxer nicht zum Nachteil gereichen wird. "Vielleicht hilft er auch grundsätzlich, den Irrglauben zu korrigieren, Schwule seien grundsätzlich verweichlicht. Er ist keine so genannte Schwuchtel, kein Schwächling. Er hat als Profiboxer schon bewiesen, dass er dem Männlichkeitsbild voll entspricht. Männlichkeit und Gewalt sind im Boxen ein zielführendes Verhalten", sagt Pilz: "Schwul gleich schwach gleich nicht männlich - wie es auch in den jüngsten Diskussionen im Fußball immer heißt -, das hebelt er voll aus."

Der Soziologe geht "eher nicht davon aus", dass Cruz als Nestbeschmutzer der Männerszene Boxen betrachtet und angefeindet werden könnte. "Er hat in diesem Geschäft nur etwas zu gewinnen. Das kann für viele ein Befreiungsschlag sein." Dennoch sei dieser Schritt ein "mutiger und wichtiger". Jeder Sportler, der sich oute, sei "momentan ein Leuchtturm". Zudem, glaubt Pilz, werde es Cruz helfen, dass er Boxer und kein Mannschaftssportler sei: "Die Fußball-Fanszene würde ein solches Outing gnadenlos ausnutzen."

Henry Maske, einer der ganz Großen der Szene, lobte Cruz für dessen "sehr mutigen Schritt", meinte aber auch vielsagend: "Er muss schon wissen, was alles auf ihn zukommt." Es werde in Zukunft sicherlich Reaktionen geben, "vielleicht auch positive", sagte der Olympiasieger und Ex-Weltmeister. Generell glaubt Maske aber nicht, dass Cruz an möglichen Anfeindungen oder Beschimpfungen im Ring zerbrechen werde: "Er wird wissen, dass man nicht von allen geliebt werden kann, egal, was man für Neigungen hat."

(sid)
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