Doping-Diskussion in der Leichtathletik Armin Hary: "Lege für Bolt nicht die Hand ins Feuer"

Köln · Armin Hary war der Usain Bolt der sechziger Jahre. Der gebürtige Saarländer lief die 100 m 1960 als erster Mensch in blanken zehn Sekunden, wurde Wochen später in Rom Doppel-Olympiasieger. 53 Jahre danach sorgt sich das einstige Sprintwunder angesichts der Häufung von Dopingfällen in der Weltelite um seine Sportart.

So sauber sind die schnellsten 100-Meter-Sprinter
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Foto: dpa, gh

Der ehemals schnellste Mann der Welt traut auch seinem großen Nachfolger nicht. Nach der Häufung von Dopingfällen in der Weltelite des Sprints sagt Armin Hary, der die 100 m 1960 als erster Mensch in blanken zehn Sekunden lief: "Ich würde auch für Usain Bolt meine Hand nicht ins Feuer legen." Er tue das schon seit Jahren nicht mehr, aber: "So lange er nicht erwischt wird, ist er unschuldig", sagt der Ex-Weltrekordler im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).

"Ich verstehe das alles nicht mehr"

Hary, 1960 in Rom Doppel-Olympiasieger über 100 und 4x100 m, misstraut Bolt nicht in erster Linie, weil dieser noch schneller läuft (Weltrekord: 9,58) als überführte Dopingsünder wie zuletzt der 100-m-Weltranglisten-Erste Tyson Gay (USA) und Jamaikas Ex-Weltrekordler Asafa Powell. Der 76 Jahre alte Hary sagt: "Was mich unter anderem an ihm stört, ist, dass Bolt durch die ganze Welt fliegt, um Topärzte aufzusuchen. Warum treibt ein Mann einen solchen Aufwand? Ich verstehe das alles nicht mehr."

Zweifel daran, dass auch Bolt dopt, gibt es bei dem gebürtigen Saarländer irgendwie aber doch noch: "Vielleicht ist er wirklich ein Ausnahmetalent. Auf den ersten 50 Metern hebt er sich nicht von anderen ab. Aber hinten heraus profitiert er von seiner großen Schrittlänge. Da hat er allen etwas Entscheidendes voraus."

Hary, der damals seinen Weltrekord mit 400 Gramm schweren Spikes ("heute wiegen sie nur 80") auf leistungsmindernder Aschenbahn lief, glaubt: "Bolt wäre überhaupt kein Mann für diesen Belag gewesen, den wir früher hatten. Mit seiner Figur, seinem Laufstil wäre er die 100 Meter auf Asche nicht unter zehn gerannt." Soll heißen: Auf diesem weitaus weniger festen Untergrund war der kleinere trittschnelle Mann mit der kurzen Übersetzung gefragt.

Auch Hary wird angst und bange, wenn er sich Folgendes vor Augen führt: Von den zehn schnellsten Männern in der Geschichte des 100-m-Laufs hatte nur Weltrekordler Bolt noch kein Dopingproblem. Und von den 100-m-Olympiasiegern der letzten 30 Jahre blieb neben ihm nur der Kanadier Donovan Bailey ohne bekannt gewordene Affäre.

"Man kann sich nicht mehr richtig freuen"

"Man kann sich nicht mehr so richtig freuen. Ich registriere die Zeiten ziemlich unberührt, denn erst nach der B-Probe weiß man, ob sie noch Bestand haben. Es wird allerhöchste Zeit für einen Neuanfang. Das betrifft nicht nur den Sprint. Auch bei den Werfern gibt es Weltrekorde, die ohne medizinische Hilfe kaum noch erreichbar sind. Wir brauchen einen endlich wirkungsvollen Anti-Doping-Kampf und neue Rekordlisten", sagt der Rom-Olympiasieger.

Hary sieht den Sprint schon in einer ähnlichen Situation wie den Radsport, wo fast niemand mehr glaubt, dass die Elite dopingfrei ist. "Der Radsport hat da noch den Vorteil, dass es niemandem auffällt, wenn diese Leute beispielsweise bei der Tour de France auf einer Etappe eine Viertelstunde langsamer sind. Aber wenn ein Sprinter über 100 m eine Viertelsekunde später ins Ziel kommt, sind das schon Welten."

(sid)
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