Tennis-WM Roger Federer kämpft um seinen guten Ruf

London/Düsseldorf · Der Schweizer hat lange die Branche dominiert. Mittlerweile sind andere vorbeigezogen. Nur beim Sponsoring ist er noch spitze.

Das Schweizer Boulevardblatt "Blick" titelte vor nicht allzu langer Zeit düstere Prognosen in großen Schlagzeilen über die Zukunft des Nationalhelden. "Roger am Ende?", gehörte noch zu den mildesten Spekulationen über die berufliche Zukunft von Federer. Die Zeitung "20 Minuten" schrieb nach einer Niederlage gegen den ansonsten eher nicht zur Spitzenklasse zählenden Daniel Brands in Gstaad im Juli: "Es ist brutal, ihn so verlieren zu sehen. Ein Stich in das Herz aller Tennisfans, die 'King Roger' seit Jahren bewundern."

Federer konnte im zurückliegenden Jahr keines der vier Grand-Slam-Turniere gewinnen. Zum ersten Mal seit den Frech Open in Paris vor neun Jahren verpasste er das Viertelfinale bei einem Format dieser Klasse, zum ersten Mal seit zehn Jahren gehörte er am Saisonende nicht mehr zu den besten Vier der Welt. Bei der Tennis-WM in London, für die er sich erst auf den letzten Drücker qualifizierte, versucht er nun ein für seine Verhältnisse total verkorkstes Jahr doch noch irgendwie zu retten. In Gruppe B trifft er auf Juan Martin del Potro (Argentinien), Richard Gasquet aus Frankreich und Novak Djokovic (Serbien).

Es gibt allerdings viele, die ihm schlichtweg nicht mehr zutrauen, noch einmal einen großen Coup zu landen. "Er ist im Herbst seiner Karriere. Er ist mittlerweile auf Platz sieben der Weltrangliste. Das ist für die Rekord-Nummer-Eins zu wenig", sagt Boris Becker im Gespräch mit "Sport1". "Darf man ihm verbieten, weiter Tennis zu spielen?" Natürlich nicht, schiebt Becker hinterher und verweist auf die Bedeutung von Federer für die Branche.

Federer ist sportlich nicht mehr die große Nummer. In Sachen Werbeeinnahmen spielt er aber noch immer in einer eigenen Liga. Im neuesten TV-Spot für einen Kaffeemaschinen-Hersteller macht er einen auf James Bond. Im Smoking setzt er sich an die Bar und ordert einen Latte macchiato: "Gemahlen, nicht gekapselt". Solche und ähnliche Auftritte bringen ihm jährlich geschätzte 45 Millionen Euro an Werbeeinnahmen ein. Der smarte Federer ist mit seiner Art eben vorzeigbar — gerade im fortgeschrittenen Alter von 32. Auf den Tennisplätzen dieser Welt ist Federer noch immer ein gern gesehener Gast, wenngleich der Eidgenosse in den Duellen mit den derzeitigen Spitzenkräften Rafael Nadal, Djokovic und Andy Murray nur Außenseiter ist. Wenn es um die Frage nach seiner Zukunft geht, antwortet er trotzig. "Ich weiß, dass ich gutes Tennis spielen kann und glaube an mich. Und ich bin noch hungrig", sagt er. Es mag überhaupt nicht an seiner Motivation liegen. Andere sind schneller, kraftvoller, konsequenter als er in ihrem Spiel. Die "New York Times" fällte ein vernichtendes Urteil: "Federer derzeit zu sehen, ist so, als wenn man einem Opernsänger zuhört, der die hohen Töne nicht mehr trifft."

Federer hat viel versucht, um sich aus der Krise zu befreien. Er hat seinen Schläger gewechselt und nach einer Probezeit den alten wieder zurückgenommen. Er hat seine Turnierplanung leicht verändert und im Trainingsbetrieb einiges umgestellt. Ohne Wirkung. "Solange mir mein Beruf noch Spaß macht, gehe ich da raus und werde alles geben", sagt er. Man wünscht ihm, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um diese Entscheidung zu treffen. Viele andere große Champions sind genau daran gescheitert.

(RP)
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