Was Rio und Köln verbindet Copa Colonia
Rio De Janeiro · Rio de Janeiro und die deutsche Partnerstadt Köln haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Doch auf den Zweiten zeigt sich, die beiden Welten liegen näher zusammen, als zu erwarten ist.
9500 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Köln und Rio de Janeiro. Der Äquator, ein Ozean, zwölf Flugstunden und aktuell fünf Stunden Zeitunterschied trennen die Stadt am Rhein und die Stadt am Zuckerhut. Und doch sind sich die Olympia-Gastgeber und die Rheinländer ganz nah: auf dem Papier verbunden durch eine Städtepartnerschaft, im Lebensalltag ihrer Bewohner ungleich mehr verbandelt durch, teils überraschende, Parallelen.
Die Lebenseinstellung Die ersten drei Paragraphen des kölschen Grundgesetzes besagen: Et es, wie et es, et kütt, wie et kütt, und et hätt noch immer jot jejange. Aus ihnen sprechen die Akzeptanz von Tatsachen sowie das Vertrauen in die Zukunft und in die Lehren der Vergangenheit. Man könnte auch anders formulieren: Der Kölner müht sich in den Dingen, die er beeinflussen kann, alles andere nimmt er eben gottgegeben hin. Hier in Rio leben die Menschen nach einem ähnlichen Muster, wobei das mit dem Hinnehmen von Unabänderlichem wohl eher als ein Gewöhnt-sein an immer wieder neue Enttäuschungen seitens der Oberen zu verstehen ist. Jeder hier versucht, seinen kleinen Kosmos zu ordnen, und in diesem auch bei allen Problemen die Lebensfreude nicht zu kurz kommen zu lassen. Levve und levve losse, leben und leben lassen, das wird auch bei den Cariocas groß geschrieben.
Der Karneval Gerade zur Karnevalszeit gibt es nichts, was Köln und Rio trennen könnte. Der Karneval beherrscht beide Städte, er überflutet sie mit Stimmung, farbenfrohen Kostümen und Menschenmassen. Wo andernorts Karneval und Verkleiden lediglich einen Grund zum Feiern liefern, sind sie in Köln wie in Rio Teil der kulturellen Identifikation und eine der Hauptattraktionen. Was die Cariocas ihren Seelenverwandten aus Deutschland indes in Sachen Karneval voraushaben, sind meist gut 20 Grad Celsius mehr Außentemperatur, bei denen sie ihre Umzüge leicht bekleidet zelebrieren können, während am Rhein am Gefrierpunkt gebibbert wird.
Die Liebe zum Fußball Köln ohne seinen FC ist undenkbar, die Geißböcke sind tägliches Gesprächsthema, nicht zu umschiffender Streitpunkt und immerwährender Lebensmittelpunkt der Einwohner. Doch ist die Fußballverrücktheit letztlich nur ein Kindergarten im Gegensatz zum Fanatismus in Rio. Rio ohne Fußball wäre kein Rio, ohne Fußball würde den Cariocas eine wesentliche Grundlage zum Überleben fehlen. Ob die Menschen hier nun zu Flamengo pilgern oder zu Fluminense, Botafogo oder Vasco da Gama - sie alle eint die zuweilen an der Grenze des Vertretbaren befindliche Emotionalität in der Unterstützung ihres Vereins, die innere Verbundenheit bis zur Bahre und die pure Lust an schönem, technisch ansehnlichem Fußball. Den kriegen ihre Kölner Seelenverwandten in Müngersdorf zwar nicht so oft zu sehen, aber et es halt, wie et es.
Sehnsucht nach dem Wasser Die Cariocas zieht es an die Strände, in jeder freien Stunde. Hier pulsiert das Leben, gerade auch jetzt in den Ferienwochen zu Olympia. Die Menschen gehen hier flanieren, es geht um Sehen und Gesehen werden, um Körperkult, Sport, Beachvolleyball, Caipirinha und Sonnenbaden. Köln liegt zwar nicht am Meer, aber der Rhein übt eine ähnliche Anziehungskraft auf die Kölner aus, wie es der Atlantik auf die Cariocas tut. Ein Picknick auf den Rheinwiesen, ein Kölsch an der Promenade, Leute und Schiffe gucken - das alles gehört untrennbar zum Freizeitvergnügen der Einheimischen.
Faszination des Leidens Vielleicht ist es ein Erbe der portugiesischen Gründerväter und ihrer melancholischen Fado-Melodien, auf jeden Fall gehört die Faszination des Leidens zur Mentalität der Cariocas. Ob beim Fußball, beim Ärgern über korrupte Politiker und verstopfte Straßen - allem Gefühl der Ungerechtigkeit und Benachteiligung liegt irgendwie auch immer die schaurig-schöne Faszination des Leiden-Müssens inne. Diese Momente kennt der Kölner auch, wenn der FC mal wieder auf tragisch-dämliche Weise ein Spiel verliert, wenn der Klüngel um Pöstchen mal wieder zu offensichtlich ist oder der Stau auf den Autobahnen um die Stadt ihnen den letzten Nerv raubt.
Liebe zur eigenen Stadt Welche ist die schönste Stadt der Welt? Die Cariocas sagen mit großem Selbstverständnis: Rio de Janeiro, die Kölner sagen (natürlich): Köln. Etwas anderes gibt es nicht. Der narzisstische Stolz auf die Heimat schlägt in beiden Städten voll durch. Lokalpatriotismus wird hier wie da ganz offenbar mit der Muttermilch aufgesogen. Dass man jenseits der Stadtgrenzen diese Selbstverliebtheit zuweilen mit einem süffisanten Lächeln abtut, stört niemanden. Am Rhein nicht, und am weltberühmten Zuckerhut schon gar nicht.