Goldmedaillengewinner von Rio Reitz klagt über Image der Schützen

Rio de Janeiro · Christian Reitz ist ein Perfektionist in allen Lebenslagen. Nichts läuft ohne Plan – bis ins letzte Detail. Das erste Olympia-Gold für ihn ist der Lohn gewissenhafter Arbeit. Gegen die Behauptung, Sportschützen seien Waffennarren, wehrt er sich.

Verlobte von Christian Reitz belohnt den Olympiasieger mit einem Kuss
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Reitz' Verlobte belohnt den Olympiasieger mit einem Kuss

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Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur lässt der gebürtige Sachse aus Löbau tief blicken: über Waffen, Bleibelastung und über seine Lieblingsbeschäftigung außerhalb des Schießstandes.

Christian Reitz, Sie wirkten beim Shootout der Platzierten so locker und entspannt. War es die Lockerheit, die den Sieg ausmachte?

Christian Reitz Ich musste kurzzeitig lächeln, dass ich nicht derjenige Schütze war, der wie zuletzt oft ins Stechen musste. Es lief daher perfekt.

Wieviel Schuss absolvieren Sie im Jahr, um so eine Treffsicherheit am Schießstand zu bekommen?

Reitz Ich habe so 35.000 bis 40.000 in diesem Jahr gemacht. Mein Teamkollege Oliver Geis liegt da in diesem Jahr wahrscheinlich ein bisschen höher.

Woher kommt bei Ihnen die Stabilität im Körper, Sie dürfen sich ja keinen Wackler leisten?

Reitz Als Ausgleichssport mache ich Bouldern. Das ist Klettern ohne Seil. Das mache ich mittlerweile schon so zweieinhalb bis drei Jahre. Dabei dachte ich, was die Körperstabilität angeht, sie müsste eigentlich vorhanden sein. Überhaupt nicht, ich hab da anfangs an der Wand gehangen wie ein nasser Sack. Jetzt gehört es zum Training.

Manchmal wirkt es so, als ob die Schützen am Stand fast einschlafen. Ist der Puls so niedrig?

Reitz Eigentlich nicht, dass ist eher die Konzentration, die so rüberkommt. Wenn ich ein Finale habe, bin ich bei einem Durchschnitt von 100 bis 110 Puls, auch mal in besonderen Situationen Spitzen von 130 bis 150. Für mich hat es mehr gebracht, mit hohem Puls meine Arbeit am Schießstand gut zu machen.

Sie haben im Training handelsübliche Laufschuhe an, im Wettkampf aber Schuhwerk wie im Winter bei den Langläufern. Klären Sie uns auf?

Reitz Ja das sind Spezialanfertigungen mit steifer Sohle, nicht billig die Dinger. Manche neben die etwas preiswertere Variante, das wären die Gewichtheberschuhe.

Was mögen Sie im Wettkampf nicht?

Reitz Na wenn ein Konkurrent links neben mir steht, bekomme ich immer die Hülsen ab. Deswegen gucke ich eigentlich immer schräg nach hinten, weil du vom Hülsenauswurf die Dinger voll ins Gesicht oder in den Nacken bekommst.

Die Sportschützen werden ja immer bei Amokläufen oder Gewaltexzessen schnell in die Terrorecke gedrängt. Wie geht man als Hochleistungssportler damit um?

Reitz Bei dem Thema bin ich als Polizeioberkommissar immer der Lieblingspuffer des Deutschen Schützenbundes. Sämtliche Anfragen werden immer an mich weitergeleitet. Es ist schwierig. Die Problematik ist halt immer, dass alles verallgemeinert wird. Aber es ist teilweise von den Medien so gewollt. Es ist schon provozierend, stachelt halt eben an und verkauft sich eben, weil es mittlerweile schon eine Mentalität ist. Sportschützen sind alles Waffennarren, das hat sich bei vielen wirklich schon in den Kopf eingesetzt. Es ist schon schade, denn es wird immer alles über einen Kamm geschoren und halt beim Thema Waffe geht es immer mit Druck in diese eine Richtung."

Aber Schützen sind doch irgendwie auch Waffennarren, oder?

Reitz "Wir als Sportschützen haben das Problem, dass das Ding eben Sportwaffe heißt. Deswegen nutzen wir eigentlich häufig auch die Bezeichnung Sportgerät. Dieses Wort Waffe ist einfach grundsätzlich schon negativ belastet, deswegen verkauft sich das auch dementsprechend. Das eine hat mit dem anderen aber nichts zutun. Beim Thema Waffen heißt es dann wieder, ach es war wieder ein Sportschütze. Dabei ist der Begriff immer relativ weitgefasst, da reicht schon die reine Mitgliedschaft im Schützenverein."

Die Schützen sollen ja auch einer bedrohlichen Bleibelastung ausgesetzt sein. Wie gehen Sie damit um?

Reitz "Das ploppt immer mal in unregelmäßigen Abständen wieder auf. Bei uns in der Nationalmannschaft wird das gar nicht thematisiert. Man versucht auf den Ständen immer das auszunutzen, was man hat, sei es Lüftung, sei es Pausen. Aber wie es halt überall ist, in einem gewissen Maße kannst du dem Ganzen nicht entfliehen - Test hin Test her. Da ist ja auch dieser Grenzwert, den hat man irgendwann mal festlegt. Wo der herkommt, weiß ich auch nicht, damit hab ich mich noch nie beschäftigt. Ist halt so."

(dpa)
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