Handballer bei Olympia Die Bad Boys sind plötzlich gar nicht mehr so cool

Rio de Janeiro · Lockerheit? Gute Laune? Kurz vor dem Auftaktspiel in Rio wirken die deutschen Europameister ziemlich angespannt.

Handball in Rio: Fragen und Antworten
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Foto: dpa, jew hpl

Selbst Andreas Wolff stapfte schnurstracks zum Mannschaftsbus. Etwas sagen wollte der sonst so wortgewandte Shootingstar des deutschen Handballs wie viele seiner Kollegen nicht. Bei aller Vorfreude auf den Olympia-Auftakt wächst bei den Bad Boys die Anspannung, die Europameister spüren plötzlich den Druck der sprunghaft gestiegenen Erwartungshaltung.

Die Lockerheit des Gold-Coups ist in den Stunden vor dem Turnierstart am Sonntag ( 16.30 Uhr MESZ/Live-Ticker) gegen Rekord-Europameister Schweden jedenfalls verflogen. "Wir haben etwas Tolles erreicht, aber der EM-Titel ist Vergangenheit. Wir müssen jetzt abliefern", sagte Kai Häfner. Der Rückraumspieler, einer von neun EM-Helden im deutschen Olympia-Kader, mahnte zu vollster Konzentration: "Wenn wir nicht 100 Prozent geben, wird das nichts. Da bringt auch der EM-Titel nichts."

Die steigende Anspannung im deutschen Lager ist deutlich spürbar. Die Konkurrenz zählt die Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson zu den Titelfavoriten, die deutsche Öffentlichkeit sehnt die erste olympische Handball-Medaille seit Silber 2004 in Athen herbei - und so wird der Sensations-Coup von Polen kurz vor dem Olympia-Start ein Stück weit zur Last.

"Müssen auch mit kleinen Dingen erstmal zufrieden sein"

"Klar ist da eine gewisse Erwartungshaltung von außen", sagte Kapitän Uwe Gensheimer, "aber die gibt es auch von innen". Man müsse "jetzt aufpassen, dass wir nicht zu viel von uns erwarten und auch mit kleinen Dingen erstmal zufrieden sind". Ansonsten, so der Linksaußen, drohe eine "Negativ-Spirale. Wir dürfen an nichts anderes denken als an die nächste Aktion". Und Rechtsaußen Patrick Groetzki forderte mit Blick auf die durchwachsenen Testspiel-Ergebnisse: "Wir müssen uns steigern, um im Turnier bestehen zu können."

Coach Sigurdsson versucht in dieser schwierigen Gemengelage, seinen Spielern, allesamt Olympia-Debütanten, den Druck zu nehmen. "Natürlich ist das Interesse gestiegen, aber das muss nicht unbedingt Druck sein", sagte der Isländer im SID-Interview. Dass mehr Leute mit seinem Team "mitfiebern", sei "eine schöne Sache". Und "wenn alles gut läuft, haben wir Hoffnung auf etwas Großes". Es komme vor allem darauf an, "wie man die Welle trifft".

Als Bürde sieht Sigurdsson den EM-Titel nicht, im Gegenteil: Er setzt auf ein neues Selbstverständnis. "Ich glaube so etwas tut allen gut", sagt er und verwies auch auf die anderen Titel wie den Gewinn der deutschen Meisterschaft für Gensheimer, Groetzki und Hendrik Pekeler mit den Rhein-Neckar Löwen. Zudem wurde Abwehrchef Finn Lemke mit dem SC Magdeburg Pokalsieger, Tobias Reichmann holte mit Kielce die Champions League. "Viele haben eine Super-Saison hinter sich, die anderen sind hungrig", so Sigurdsson.

Doch zum Auftakt wartet gleich ein ordentliches Kaliber. Über welches Potenzial die Schweden verfügen, zeigten sie vor sieben Monaten im EM-Vorrundenspiel gegen Deutschland, als sie nach dramatischen 60 Minuten hauchdünn (26:27) unterlagen. "Die Schweden sind noch stärker als im Januar", warnte Sigurdsson. Mit Spannung erwartet auch er das Comeback von Rückraumstar Kim Andersson.

Imponierend ist die schwedische Bilanz bei Olympischen Spielen. Bei den letzten vier Teilnahmen holte das Team stets die Silbermedaille - ein Ergebnis, von dem auch die deutschen Handballer träumen.

(sid)
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