Bilanz von London kaum zu erreichen DOSB verfehlt alle selbstgesteckten Medaillenziele

Rio de Janeiro · Der DOSB wird in Rio alle Medaillenziele verfehlen. Präsident Hörmann schlägt Alarm - und die Verbände haben Angst vor dem, was nun folgt.

Diese Zielvorgaben wurden über- oder untertroffen
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Foto: afp

Alfons Hörmann schlägt schon vor den letzten Wettkämpfen in Rio Alarm. "Wenn wir nicht zügig und klar agieren, dann wird Olympia 2020 und noch vielmehr 2024 sowie 2028 nicht so laufen, wie wir uns das vorstellen", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). "Ein 'Weiter so' kann es nicht geben!"

Hörmann ist längst klar, dass das deutsche Team seine Medaillenziele in Rio nicht erreichen wird - weder die Bilanz von London 2012 (44 Medaillen), und wohl auch nicht den unteren Rand des sogenannten "Medaillenkorridors" von 42 bis 71 Medaillen. Ebenso alarmierend ist, dass das deutsche Team in Rio wohl rund 25 Finalplätze (1 bis 8) weniger erreichen wird als vor vier Jahren. Es fehlt demnach nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite - und in einigen Fachverbänden einfach an allem.

Schwimmen und Fechten im Visier

Hörmann und der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper haben in Rio vor allem die mittlerweile chronisch erfolglosen Schwimmer und Fechter ins Visier genommen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der auf dem größten Geldtopf für den deutschen Spitzensport sitzt, stimmte mit ein: "Ich habe Alfons Hörmann gut zugehört. Manche Sportarten sind gut vorbereitet, andere Sportarten nicht. Das wird zu betrachten sein."

Das werden Hörmann und de Maizière unmittelbar nach den Spielen in Rio tun, wenn die mit Spannung erwartete Spitzensportreform zu Ende verhandelt wird. Sie ist längst das Schreckgespenst des deutschen Sports, das allen Verbänden schlaflose Nächte bereitet. Im Oktober soll die Neuordnung vorgestellt werden.

Der deutsche Sport steckt in einer vertrackten Situation. Die Mittel sind knapp, etwa 150 Millionen Euro steuert das Innenministerium jährlich bei. Seit Jahren bleiben Medaillen aus. Länder wie Großbritannien, die dank eines 1997 installierten, halbstaatlichen Fördersystems im Geld schwimmen, sind längst enteilt.

Eine Kopie des britischen Erfolgsmodells halten alle Beteiligten im deutschen Föderalsystem für unmöglich, also basteln sie an anderen Lösungen. Statt mehr Geld zu verteilen soll besser analysiert und zielgerichteter gefördert werden. Mit einem "perspektivischen Berechnungsmodell" soll eine "potenzialorientierte Förderstruktur" geschaffen werden.

Sportarten und vor allem Disziplinen sollen in drei "Cluster" eingeordnet werden. Im "Exzellenzcluster" gibt es die Optimalförderung, die Verbände aus dem "Potenzialcluster" müssen Einbußen hinnehmen. Allen Verbänden und Disziplinen, die kein Medaillenpotenzial mehr vorweisen können, drohen harte Einschnitte oder sogar der komplette Förderstopp. Es soll Schluss sein mit dem Gieskannenprinzip.

Es geht an's Eingemachte

Zudem kommt alles, was Geld kostet, auf den Prüfstand. Sechs von 19 Olympia- und 50 von 205 Bundesstützpunkten stehen vor dem Aus. Es geht ans Eingemachte, um Existenzen.

Bei den Verbänden herrscht auch aus anderen Gründen eine tiefe Unsicherheit, denn es bestehen Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Verbandes. Das geht aus dem Zwischenbericht einer "Aufgaben- und Effizienzanalyse" hervor, den der DOSB bei Ernst und Young in Auftrag gegeben hat und der dem SID vorliegt.

Die Unternehmensberatung stellt fest, dass die Strategie-Entwicklung des DOSB bei den Mitgliedsverbänden kritisch gesehen wird. Wie kritisch, verdeutlichen beispielhafte Aussagen, die Ernst und Young zusammenstellte. Von "Orientierungslosigkeit" ist da die Rede, von nicht optimaler Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, da der DOSB "keine Strategie hat und daher seine Ziele unklar sind".

Es brodelt gewaltig im deutschen Sport, und das Gesamtergebnis von Rio wird nicht zur Beruhigung beitragen.

(ems/sid)
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