Auf Grafs Spuren Kerber hat Silber sicher und Gold im Blick

Der Gold-Traum lebt: Überwältigt vor Glück warf Angelique Kerber nach ihrem Final-Einzug von Rio Kusshände ins Publikum und feierte mit leuchtenden Augen den Gewinn der ersten olympischen Einzel-Medaille einer deutschen Tennisspielerin seit Steffi Graf vor 24 Jahren in Barcelona. Silber ist Kerber nach einem hart erkämpften Erfolg nicht mehr zu nehmen.

Angelique Kerber sinkt nach Finaleinzug erleichtert zu Boden
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Kerber sinkt nach Finaleinzug erleichtert zu Boden

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Der an Position zwei gesetzten Kielerin fehlt nach dem 6:3, 7:5 im Halbfinale gegen Madison Keys (USA/Nr. 7) nur noch ein Sieg, um ihre Saison nach ihrem ersten Grand-Slam-Coup im Januar zu vergolden. "Was ich mir erträumt habe, ist wahr geworden", sagte Kerber: "Aber ich will die Emotionen noch nicht zu sehr rauslassen. Es steht noch ein Finale an." Bundestrainerin Barbara Rittner jubelte: "Das ist ein Riesending."

Ins Endspiel am Samstag gegen die ungesetzte Überraschungs-Finalistin Monica Puig geht Kerber als haushohe Favoritin, nicht einen Satz hat sie um Turnierverlauf bislang verloren. Die Nummer 43 der Welt aus Puerto Rico hatte in der Vorschlussrunde die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova (Tschechien) mit 6:4, 1:6, 6:3 ausgeschaltet.

Kerber wirkte zu Beginn ihres Halbfinals angeschlagen und agierte defensiv, während Keys mit ihrem starken Aufschlag und den aggressiven Grundschlägen punktete. Doch die Fed-Cup-Spielerin hielt dagegen. Das zweite Break zum Satzgewinn holte sich Kerber mit einem Passierschlag nach einer guten halben Stunde. Danach war sie die solidere Spielerin und verwandelte ihren sechster Matchball nach 1:28 Stunden zum Sieg.

Gut ein halbes Jahr nach ihrem Australian-Open-Triumph ist Kerber bereits mit der Silbermedaille erneut in Grafs Fußstapfen getreten. Die Ikone, mit der die Kielerin ab und an in Las Vegas trainiert, hatte 1992 Einzel-Silber geholt, nachdem sie sich vier Jahre zuvor in Seoul zur Olympiasiegerin gekrönt hatte.

Für Rittner ist Kerber die "Gold-Favoritin" schlechthin. Sie sei "total fokussiert" und strahle "ein großes Selbstbewusstsein" aus. "In Rio hat man gesehen, dass sie auch vermeintliche Angstgegnerinnen wie Eugenie Bouchard beherrscht", sagte Rittner dem Tennismagazin. Die 43-Jährige glaubt, dass sich ihre Nummer eins dank der jüngsten Erfolge viel Respekt erarbeitet hat, "und das stresst die Gegnerinnen".

Dabei lässt sich Kerber auch nicht von den wenig idealen Bedingungen im Olympischen Dorf ablenken. "Angie flucht auch schon mal darüber, aber sie schafft es bisher gut, damit klarzukommen und bei sich zu bleiben", lobte Rittner die Weltranglistenzweite. Das Essen im Dorf und auf der Anlage lässt zu wünschen übrig - wie und die hygienischen Bedingungen. Dabei sind rutschende Toilettendeckel noch das kleinste Problem. "Da muss man robust sein", sagte Rittner.

Doch Kerber ruht in diesen Tagen in sich. Nichts scheint sie erschüttern zu können. "Ich genieße Olympia und alles, was dazugehört. Natürlich steht das Tennisspielen im Mittelpunkt, aber zumindest Abends schaue ich mir im Fernsehen andere Wettbewerbe an", berichtete "Angie", die theoretisch nächste Woche Serena Williams (USA) an der Spitze der Weltrangliste ablösen könnte.

Als letzte deutsche Spielerin hatte Steffi Graf die Nummer-eins-Position inne gehabt. Bis zu ihrem Rücktritt im August 1999 hatte Graf (47), die wie Williams 22 Grand-Slam-Triumphe feierte, insgesamt 377 Wochen auf Platz eins gestanden.

(sid)
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