Erste Medaille im Bogenschießen Unruh feiert Silber-Party mit Wasser statt Champagner

Rio de Janeiro · Ihren Silber-Coup von Rio feierte Lisa Unruh ganz nüchtern. Die erste deutsche Einzelmedaille im Bogenschießen ist für die 28-Jährige der Lohn jahrelanger harter Arbeit.

Olympia 2016: Sensations-Silber mit dem Bogen für Lisa Unruh
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Silber mit dem Bogen für Lisa Unruh

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Eine feuchtfröhliche Medaillen-Party? Nicht mit Lisa Unruh. "Geht ja gar nicht. Alkohol steht bei uns auf der Doping-Liste", sagte die 28 Jahre alte Bogenschützin nach ihrem Silber-Coup von Rio de Janeiro. Allzu schwer schien Unruh der Verzicht allerdings nicht zu fallen. Ihr Lieblingsgetränk sei ohnehin Wasser, sagte sie.

Unruh ist ein typisches Beispiel für eine Nischensportlerin, die über Jahre hochprofessionell arbeitet - und dann plötzlich mit einem Knall auf die große Olympische Bühne tritt. Im Falle der Berlinerin war dieser Paukenschlag die erste Einzel-Medaille für deutsche Bogenschützen bei Olympia. Bislang hatte es nur 1996 in Atlanta Silber und 2000 in Sydney Bronze für das Frauen-Team gegeben.

Dabei hatte Unruh auch vorher schon große Erfolge vorzuweisen. 2007 war sie Europameisterin im Einzel, 2014 Weltmeisterin mit dem nicht-olympischen Feldbogen. Und im Frühjahr gewann sie den WM-Titel in der Halle. Die Silbermedaille in Rio war dennoch eine faustdicke Überraschung. "Es war schon eine Belohnung, dass ich hier sein durfte", sagte sie: "Dass ich jetzt eine Medaille habe, ist einfach traumhaft."

Anglerhut als Sonnen- und Windschutz

Unruh ist eine Perfektionistin. Selbst als sich die Sensation im Sambodrom von Rio - wo beim Karneval die berühmten Samba-Schulen durchziehen - längst abzeichnete, trug sie noch immer gewissenhaft ihre Schießergebnisse in ein kleines Notizbuch ein. "Das muss ja alles dokumentiert werden für das Training", meinte die Polizeimeisteranwärterin.

Die Aufregung um ihre Abläufe und Routinen schien Unruh ziemlich zu irritieren. So wunderte sie sich beispielsweise über vielen Nachfragen nach ihrem verwaschenen Anglerhut, den sie einst für 15 Euro erstanden hatte. "Das haben mich jetzt schon mehrere Leute gefragt", sagte sie beim Auftritt im Olympia-Studio des ZDF: "Das ist einfach ein Sonnen- und Windschutz. Das hat keine größere Bedeutung."

Nüchtern und zielstrebig

Bundestrainer Oliver Haidn schätzt seine Vorzeige-Athletin für ebendiese Nüchternheit und Zielstrebigkeit. "Lisa ist sehr stringent, sehr diszipliniert im Training wie auch im gesamten Umfeld", sagte er. Der Lohn sei eine nahezu perfekte Schusstechnik - die den Bogensportlern nun ein "echtes Ausrufezeichen" bescherte.

Der Sport boomte in Deutschland schon vor Unruhs Olympia-Überraschung. Ausgelöst hatte das Interesse vor allem die Film-Reihe "Die Tribute von Panem", in der Hollywood-Star Jennifer Lawrence mit dem Bogen unterwegs ist. Manche Vereine mussten angesichts des unerwarteten Mitgliederandrangs bereits Aufnahmestopps erlassen. Geht es nach Unruh, setzt sich dieser Trend nun fort. "Ich hoffe, dass jetzt immer mehr Kinder Bogenschießen wollen", sagte sie.

(ems/sid)
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