Einzelspringen Reiter müssen sich nun strecken

London · Nach dem überraschenden Ausscheiden der Mannschaft soll es im Einzelspringen Wiedergutmachung geben. Die Hoffnungen der Schützlinge von Bundestrainer Otto Becker trägt vor allen Meredith Michaels-Beerbaum auf Bella Donna.

Olympia 2012: Pleite für deutsche Springreiter
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Otto Becker drückte sich in der derben Deutlichkeit aus, die den Reitersleuten eigen ist. "Ich fühle mich heute noch beschissener als gestern", sagte der Bundestrainer der Springreiter zur Mittagsstunde am Tag nach dem Olympia-Aus für seine Equipe. "Viele kleine Dinge" seien zusammengekommen, als sein Team am Sonntag die Runde der letzten und besten acht verpasste. "Das war kein Desaster, aber angesichts der Leistungsdichte war es auch nicht gut genug", sagte Becker. Der leichte Parcours ("Das war für Olympia an der unteren Grenze") habe seiner Mannschaft geschadet, meinte Becker.

Das hörte sich zwar zunächst seltsam an, ließ sich aber doch nachvollziehen. Denn auch im Grunde schwächere Paare hatten die Strecke am Sonntag fehlerfrei geschafft und sich damit vor die der Papierform nach besseren, allerdings ein wenig fahrigen Deutschen gesetzt. Der anspruchsvollere, mit höheren und tieferen Hindernissen bestückte Montagskurs sortierte das verbliebene Feld wieder nach seinen wahren Möglichkeiten. Großbritannien holte Gold vor den Niederlanden und Saudi-Arabien.

Und die Verantwortlichen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (abgekürzt FN für Fédération nationale) fanden ihr Lächeln zurück. Denn Marcus Ehning (Borken) auf Plot Blue und Meredith Michaels Beerbaum (Thedinghausen) auf Bella Donna, die als Einzelreiter gestern noch an den Start durften, qualifizierten sich für das Finale der besten 33, das morgen im Greenwich Park stattfindet. Die Fehlerpunkte, die sie auf dem Weg dorthin angesammelt hatten, werden komplett gestrichen. Für sie geht es zurück auf "Los".

Janne Friedrike Meyer (Schenefeld) häufte mit Lambrusco hingegen gestern 17 Fehlerpunkte an und verkündete anschließend den Rückzug ihres Wallachs Lambrusco, den sie zärtlich "Mops" nennt, aus der Championatsmannschaft. Der Marler Christian Ahlmann hatte sich zuvor schon komplett aus dem olympischen Turnier verabschiedet.

Michaels-Beerbaum fand ihre Bella Donna gestern "so wonderful". Am Sonntag war der gebürtigen Kalifornierin an der dreifachen Kombination das Timing abhanden gekommen, gestern erlangte sie es wieder. "Der Parcours ist hart, aber gerecht", sagte sie, "er ist olympiawürdig." Ehning stellte fest: "Der Kurs heute war viel anspruchsvoller, ganz anders als gestern. Wir konnten unsere Erfahrung ausspielen. Außerdem hatten wir das Glück, das uns am Sonntag gefehlt hatte." Morgen kämpfen sie um die Medaillen.

Bei Welt- und Europameisterschaften hatte die Equipe in den vergangenen beiden Jahren Gold geholt. "Vielleicht haben wir unser Glück aufgebraucht", sagte Becker. Im Vorfeld Olympias kam es knüppeldick. Carsten-Otto Nagel verzichtete auf London, weil seine Corradina nach Zahnproblemen nicht rechtzeitig in Form kam. Ludger Beerbaum gab Anfang Juli auf, weil seine Stute Gotha nach einem Sturz die Sicherheit verloren hatte. Philip Weißhaupts Monte Bellini zog sich eine Infektion zu. Und Marco Kutscher gab mit Cornet Obolensky beim CHIO in Aachen so eine schwache Figur ab, dass Becker nicht mehr wagte, das Paar für London zu nominieren. Michaels-Beerbaum fand auf den letzten Drücker erst in die Equipe. Beim Großen Preis von Aachen belegte sie mit Bella Donna überraschend den dritten Rang. Bis Weißhaupt Monte Bellini zurückziehen musste, war die Europameisterin von 2007 allerdings nur als Ersatzreiterin vorgesehen. Mit Blick auf die Entscheidung morgen tut ihr die Ruhe, die sie jetzt genießt, ganz gut. Sie war am Wochenende aus dem olympischen Dorf ausgezogen, weil sie den abendlichen Krach aus der benachbarten Basketball-Halle nicht mehr ertragen konnte.

(RP/chk)
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