Olympia bei ARD und ZDF Die langweiligen Fernseh-Spiele

Düsseldorf · Die Wettkämpfe in London begeistern – allerdings nur selten, wenn man sie vor dem TV verfolgt. In der Flut von Entscheidungen und Ergebnissen fehlt es an Ordnung. Selten schaffen es die Öffentlich-Rechtlichen, tatsächlich live zu berichten und es zuschauerfreundlich zu präsentieren.

Olympia 2012: Harting jubelt über Diskus-Gold
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Die Wettkämpfe in London begeistern — allerdings nur selten, wenn man sie vor dem TV verfolgt. In der Flut von Entscheidungen und Ergebnissen fehlt es an Ordnung. Selten schaffen es die Öffentlich-Rechtlichen, tatsächlich live zu berichten und es zuschauerfreundlich zu präsentieren.

Michael Steinbrecher lächelt gewohnt nonchalant in die Kamera. Man würde verstehen, wenn er sich den Ohrstöpsel herausreißen, rumschnauzen und den Regisseur zwingen würde, ins Studio zu kommen und den Zuschauern zu erklären, mit welcher Verlässlichkeit er es schaffen konnte, schon wieder zum falschen Wettkampf zu schalten. Das ZDF hat das allerdings nicht als Alleinstellungsmerkmal. Auch bei der ARD schaffen es die Verantwortlichen mit einer erstaunlichen Verlässlichkeit, Zuschauern bei der Übertragung der Olympischen Spiele den letzten Nerv zu rauben. Was großspurig als "Live-Ereignis" angekündigt wird, ist in der Regel nur aus der Konserve.

Ein Beispiel. Am zweiten Tag der Degenfechter stehen die deutschen Medaillenhoffnungen Nicolas Limbach und Max Hartung im Viertelfinale. Sie gehen zeitgleich auf die Planche. In der Arithmetik des Wettbewerbs reicht ein Sieg, dann ist für beide eine Medaille in Reichweite. Die Stimmung in der Halle kocht, die der Zuschauer bald auch. Das liegt an einer brillanten Entscheidung, im spannendsten Moment auszublenden und hinüberzuschalten zum Straßenradrennen der Frauen — knapp 50 Kilometer vor dem Ziel.

Viele Verfehlungen

Die Liste von Verfehlungen dieser Art ließe sich beliebig fortsetzen. Als Dimitrij Ovtcharov an der Tischtennisplatte um Bronze spielt, kämpft gleichzeitig Judoka Dimitri Peters im Halbfinale. Die ARD bleibt beim Tischtennis und zeigt anschließend erst in Ruhe Peters' Halbfinal-Kampf aus der Konserve, während gerade eigentlich sein Kampf um Bronze läuft. Wer zufällig ins Internet schaut, wird von seiner Bronzemedaille überrascht, während im Fernseher noch das Halbfinale läuft — mit viel Dramatik künstlich aufbereitet ohne jegliche Einblendung mit einem Hinweis "Aufzeichnung".

Auch die Zuschauerfreundlichkeit hat in den vergangenen Jahren nachgelassen. Wer Schwimmen oder Leichtathletik schaut, muss den deutschen Athleten mit der Lupe suchen. Auch die Information "Bahn drei" hilft nicht sonderlich weiter — von oben oder unten? Mitunter ist das Rennen dann schon vorbei, wenn der TV-Zuschauer die richtige Bahn endlich gefunden hat. Besser war es bei den vergangenen beiden Olympischen Spielen: Die Bahn eines Deutschen wurde etwas verdunkelt oder eingefärbt. Bei Live-Übertragungen zwar teuer, aber effektiv. Diesmal verzichten ARD und ZDF allerdings auf diesen Service. Das ist Sparen an der völlig falschen Stelle.

Und trotzdem sind die Olympischen Spiele für die beiden Öffentlich-Rechtlichen ein Erfolg. Zumindest, wenn man die Einschaltquoten zugrunde legt. Bis zum Wochenende schalteten durchschnittlich 3,47 Millionen Zuschauer die Spiele bei ARD und ZDF ein, darunter 1,4 Millionen aus der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. 2008 in Peking, als die Spiele in den Morgenstunden gesendet wurden, waren es noch 2,27 Millionen Zuschauer.

Quotenkönig Harting

Der Schnitt dürfte bis zum Ende der Spiele allerdings noch steigen. Denn die Leichtathletik-Wettbewerbe bringen traditionellen einen Schub. Quotenkönig wurde zum Beispiel Diskuswerfer Robert Harting. Als er am Dienstagabend Gold holte, sahen das 8,93 Millionen TV-Zuschauer. Seinen Jubel mit nacktem Oberkörper bekamen schon 10,3 Millionen Menschen live mit. Und Usain Bolt lief am Sonntagabend vor 7,59 Millionen Menschen zu Gold über 100 Meter.

ARD und ZDF leisten sich beide eine Schar von Experten. Während der Schwimmwettkämpfe hat sich das bezahlt gemacht. Franziska van Almsick (ARD) und Christian Keller (ZDF) haben viel Werbung in eigener Sache gemacht — und dem Zuschauer die Wettkämpfe verständlich vermittelt. Total daneben ist der Einsatz von Sportpsychologe Hans-Dieter-Hermann im Zweiten. Er beschränkt sich vor allem auf Phrasen. Durchaus verzichtbar.

(RP/seeg/sgo)
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