Sportökonom über deutsche Olympiabewerber "Egal ob Hamburg oder Berlin: Deutschland ist der klare Favorit"

Berlin · Sportökonom Wolfgang Maennig war 1988 Olympiasieger mit dem Deutschland-Achter, mehrere deutschen Olympiabewerbungen begleitete er als Gutachter. Im SID-Interview spricht der Experte über die Konzepte Berlins und Hamburgs.

Fragen und Antworten zur deutschen Olympia-Bewerbung
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Foto: dpa, pdz nic gam nic

Herr Maennig, am Montag haben Berlin und Hamburg ihre Konzepte für eine Olympiabewerbung vorgestellt. Welchen Eindruck haben Sie?

Wolfgang Maennig: Vieles war ja schon vorher durchgesickert, die ganz großen Überraschungen sind ausgeblieben. Ich würde positiv erst einmal feststellen, dass aus den Konzepten klar wird, dass sich hier in den Verwaltungen der Städte Leute ernsthaft Gedanken gemacht haben. Mehr war schwierig angesichts der Kürze der Zeit. Positiv ist auch, dass man hier nicht den Eindruck hat, dass wie in einigen anderen Ländern nur einige wenige Oligarchen ein ganz bestimmtes Interesse haben. Sondern, dass das Konzepte sein sollen, die den Städten dienen. Beide Städte haben zudem erkannt, wie wichtig es ist, die Bürger zu beteiligen.

Welche großen Unterschiede sehen Sie in den Konzepten?

Maennig: Berlin hat den Vorteil, dass es schon viel mehr Sportstätten hat, die olympiatauglich sind. Es besteht also ein geringerer Neubaubedarf. Hamburg hat den Vorteil, dass es etwas kompakter ist und den vielleicht größeren Rückhalt in der Bevölkerung hat.

Was würden Olympische Spiele den Städten und Deutschland bringen?

Maennig: Ich möchte die Frage so eigentlich gar nicht akzeptieren. Wir sollten uns abgewöhnen zu fragen, wenn wir schon dieses wunderbare Geschenk der Olympischen Spiele haben, was bekommen wir denn noch dafür? Die Olympischen Spiele selbst sind der Effekt. Wir werden in Hamburg oder Berlin eine wunderbare Zeit verbringen, unsere Städte werden Gastgeber sein für die besten Sportler der Welt und faszinierte Touristen. Wir werden unsere Städte noch bekannter machen, wir werden noch beliebter sein als vorher. Das sollte eigentlich schon reichen. Wir sollten Abstand davon nehmen, dass wir glauben, dass wir damit Geld verdienen oder damit Beschäftigung erzielen.

Sie haben schon einige gescheiterte Bewerbungen miterlebt und mitbegleitet. Welche Fehler müssen denn vermieden werden?

Maennig: Ich habe ja gesagt, dass es schön ist, dass die Bewerbungen so gut geplant sind - wie deutsche Planer das in der Zeit schaffen können. Und ich habe das auch mit Respekt bekundet. Wir müssen aber sagen, dass das bei allen Olympiabewerbungen auch so war, dass sie solide, handwerklich korrekt waren und alle Angaben stimmten. Trotzdem, vielleicht etwas drastisch gesagt: Wir sind immer kläglich gescheitert. Wir haben mit Berchtesgaden 1992 sechs Stimmen bekommen und sind im ersten Wahlgang ausgeschieden. Wir haben für Berlin 2000 neun Stimmen bekommen und sind im zweiten Wahlgang ausgeschieden. Wir sind mit Leipzig gar nicht erst in die Endrunde gekommen. Das sind sozusagen null Stimmen. Und wir haben für München 2018, obwohl Thomas Bach unsere Leitfigur war, der kurze Zeit später mit überwältigender Mehrheit zum IOC-Präsidenten gewählt wurde, 25 Stimmen bekommen. Wir hatten mit Katarina Witt eine hervorragende Interpretin - trotzdem sind wir kläglich gescheitert.

Was muss denn anders werden?

Maennig: Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass es nur mit gut gemachten, gut finanzierten Konzepten nicht getan ist. Wir müssen eine besondere Prise Salz dazu bekommen, die es für die IOC-Mitglieder spannend macht. Dafür muss es etwas Neuartiges sein, dafür muss die Bevölkerung dahinter stehen, dafür müssen auch die Politiker sehr stark dahinter stehen. Das hat meines Erachtens bei den letzten Bewerbungen ein bisschen gefehlt.

Wird die Bevölkerungen den Ausschlag geben, welche Stadt den Zuschlag bekommt?

Maennig: Ich glaube ja. Ich persönlich würde auch dem DOSB empfehlen, sich zu fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, am 6. Dezember die Entscheidung zu fällen. Denn die Bevölkerungszustimmung ist ganz wesentlich, und dies haben wir letztendlich jetzt nicht richtig eruieren können, wie groß sie in den beiden Städten wirklich ist. Ich könnte mir vorstellen, dass es klug ist, beide Städte zu bitten, weiterhin vorzubereiten und die Bevölkerung hinter sich zu bekommen.

Könnte es dann nicht ein Problem werden, dass nicht unbedingt die Stadt gewählt wird, die Olympische Spiele am besten ausrichten kann, sondern die, in der vielleicht als einzige die Bevölkerung dafür ist?

Maennig: Aber sie werden gegen die Bevölkerung in Deutschland Olympische Spiele nicht ausrichten können. Ich glaube nicht, dass es einen so großen Widerstand gibt. Ich glaube, dass die Bevölkerung in beiden Städten über die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Städte recht gut aufgeklärt ist und relativ gut entscheiden kann, ob es das Richtige für ihre Stadt ist.

Beide Konzepte setzen sehr auf Nachhaltigkeit und Transparenz. Wird man damit auch das IOC überzeugen können?

Maennig: Ich denke, dass tatsächlich ein Umdenkprozess im IOC eingeleitet ist. Wir werden dann im Dezember ja auch eine Agenda 2020 präsentiert bekommen, die sicherlich in Richtung mehr Bescheidenheit, mehr Flexibilität, mehr stadtspezifische Bewerbungen gehen wird. Das IOC sieht auch, dass es mit einem 'Weiter so' immer weniger Bewerbungen geben wird. Ganz prekär ist es bei den Winterspielen, bei den Jugendspielen ist es auch nicht viel besser. Sie bekommen auch Druck von den Sponsoren, denn viele Sponsoren vertreiben Produkte, die das Produkte des Mannes auf der Straße sind. Und wenn der Mann auf der Straße mit Olympia nichts Positives assoziiert, haben die Sponsoren kein Interesse mehr. Und das haben sie auch signalisiert.

Sie haben ein Modell entwickelt, mit denen sich errechnen lässt, welche Städte bei den Abstimmungen im Vorteil sind...

Maennig: Es ist ein Modell, mit dem wir bei den Abstimmungen seit 1992 identifizieren, welche die bestimmenden Faktoren gewesen sind. Und dies dann nutzen für eine Prognose, wer 2024 die Spiele gewinnen wird.

Und was ist dabei herausgekommen?

Maennig: Zu meiner eigenen großen Überraschung ist es egal, ob sich Hamburg oder Berlin bewirbt: Deutschland ist der ganz klare Favorit. Der wesentliche Unterschied zum Beispiel zu den amerikanischen Städten ist, dass wir sehr viel länger die Olympischen Spiele nicht mehr hatten. Es ist gut, wenn man lange die Spiele nicht hatte und sich immer redlich bemüht hat. Das hat Deutschland getan. Das zweite, vielleicht ebenso überraschende Argument ist, dass es möglichst dicht an Fußball-Weltmeisterschaften sein muss. Rio de Janeiro ist ein Beispiel, aber auch die USA mit 1994 und 1996. Wenn man nicht allzu lange vorher die Weltmeisterschaften hatte, ist das förderlich. Und auch da haben wir ein Vorteil gegenüber den USA, die der zweitgrößte Favorit sind.

Wie hoch sind denn die deutschen Erfolgsaussichten?

Maennig: Das ist es, was wir dem IOC und der olympischen Familie klarmachen müssen: Deutschland ist dran. Das ist bei uns selbst nicht so präsent. Wir suchen ja nach einem Argument oder nach einem Slogan, aber womit wir überzeugen können: 'Wir sind eine große Sportfamilie, wir sind eine erfolgreiche Sportnation, wir haben viele Medaillengewinner, wir haben uns immer wieder erfolgreich um Weltmeisterschaften gekümmert und haben sie gut ausgerichtet. Und jetzt wollen wir die Olympischen Spiele.

(Das Interview führte Dominik Kortus)

(sid)
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