Gretel Bergmann wurde von den Spielen 1936 ausgeschlossen Hitlers Lockvogel für Olympia wird 100

New York/Düsseldorf · Die Nationalsozialisten schlossen die Jüdin im letzten Moment aus dem Team für Berlin 1936 aus.

 Gretel Bergmann wurde 1936 von den Olympischen Spielen ausgeschlossen.

Gretel Bergmann wurde 1936 von den Olympischen Spielen ausgeschlossen.

Foto: dpa, bs_hae

Am 16. Juli 1936 durchschaut Gretel Bergmann das perfide Spiele, das die Nationalsozialisten mit ihr gespielt haben. Es ist der Tag, nachdem die US-amerikanische Olympia-Mannschaft sich von New York aus per Schiff auf den Weg zu den Spielen nach Berlin gemacht hat. Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten schreibt der 22-jährigen Hochspringerin, dass sie wegen "ungenügender Leistungen" nicht an den Spielen teilnehmen darf, die zwei Wochen später in der Hauptstadt begannen.

Gretel Bergmann hat ihren Dienst erfüllt. Sie bezeichnet sich als "Lockvogel" oder als "Schachfigur bei Hitlers großer Täuschung". Die Täuschung bestand darin, der Welt vorzuspielen, dass jüdische Athleten zum deutschen Olympiateam gehören. Viele Nationen — darunter die USA, Großbritannien und Frankreich — hatten erkennen lassen, dass sie "Berlin 36" boykottieren würden, wenn sich Deutschland nicht auf ein Verbot von Diskriminierung wegen Rasse, Hautfarbe oder Religion verpflichte.

Bergmann war die beste Hochspringerin ihrer Zeit. Ihre Bestleistung lag bei 1,60 Meter — übrigens genau die Höhe, mit der die Ungarin Ibolya Cska, ebenfalls eine Jüdin, im Berliner Olympiastadion Gold holte. Kurz nach der Machtergreifung im Januar 1933 war die damals 18-jährige Gretel aus ihrem Verein, dem Ulmer FV, ausgeschlossen worden. Während des Studiums in England nahm sie die Karriere wieder auf und spielte mit dem Gedanken, in Berlin als Mitglied der britischen Mannschaft an den Start zu gehen. Doch die Nazis beorderten sie zurück nach Deutschland, eben um sie als Lockvogel einzusetzen.

Neun Monate nach den Spielen wanderte Bergmann in die USA aus. Nie wieder wollte sie deutschen Boden betreten, nie wieder wollte sie die deutsche Sprache sprechen. Kurz nach dem Überfall der Deutschen auf Polen beendete sie ihre Karriere. "Angesichts des immer stärker um sich greifenden Aufruhrs in der Welt schien mir der Hochsprung überhaupt nichts mehr zu bedeuten", schrieb sie in ihrem Buch "Ich war die große jüdische Hoffnung". Ihren Hass auf Deutschland hat sie überwunden, seit sie 1996 während der Spiele in Atlanta Gast der deutschen Mannschaft war. Drei Jahre später besuchte sie erstmals wieder Deutschland. "Ich bin glücklich, dass ich die Abscheu gegen das Land, in dem mir Unrecht getan wurde, erfolgreich bekämpft habe", sagt sie. Im Film "Berlin 36 — Die wahre Geschichte einer Siegerin" — spielte Karoline Herfurth die verhinderte Olympiasiegerin.

Am Samstag feiert sie im New Yorker Stadtteil Queens ihren 100. Geburtstag. Ihr Mann, der aus Andernach stammende Mediziner Bruno Lambert, ist im November des vergangenen Jahres im Alter von 103 Jahren gestorben. Das Paar war 75 Jahre verheiratet.

(RP)
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