Olympia-Kolumne Willi Holdorf überwacht Garderobe der Athleten

London · Zehnkämpfer können alles. Springen, Laufen, Werfen – die Vielseitigkeit kennzeichnet sie. Das war natürlich schon 1964 so, als Willi Holdorf in Tokio Deutschlands erster Olympiasieger im Mehrkampf wurde.

Die Fotos vom völlig erschöpften Holsteiner aus der Gemeinde Blomesche Wildnis an der Unterelbe, der nach dem 1500-Meter-Lauf ins Ziel stürzt, gehören in die Galerie der großen Momente des deutschen Sports. Doch mit den zehn leichtathletischen Disziplinen ist Holdorfs Vielseitigkeit nur unzureichend beschrieben.

Als Trainer bei Bayer Leverkusen führte er Leichtathleten in die Weltspitze. Als Anschieber im Bob holte er Silber bei Europameisterschaften. Und sogar in der Fußball-Bundesliga arbeitete er kurzzeitig als Coach. Den Abstieg von Fortuna Köln konnte er 1974 allerdings nicht verhindern. Für das Davis Cup-Team im Tennis arbeitete er als Konditionstrainer.

Seine große Liebe aber ist bis heute der Handball. Als Kind stand er im Tor. Holdorf gehört seit Jahren zu den Gesellschaftern des THW Kiel, seine Frau Sabine Holdorf-Schust ist Geschäftsführerin des Meisters, Pokalsiegers und Champions-League-Gewinners. Für einem Spiel wie Kroatien gegen Serbien kann er sich in London begeistern. Fast mehr als an der Leichtathletik, die er mit großem Interesse, aber nicht mehr mit der gleichen Hingabe wie den Handball verfolgt. Mit den Ausdauersportarten konnte sich Holdorf, der heute regelmäßig Golf spielt, nie richtig anfreunden.

Bei den Olympischen Spielen in London beweist der 72-Jährige, der vor vier Jahren einen Schlaganfall überstehen musste, allerdings ein erstaunliches Steh- und Sitzvermögen. Willi ist immer da! Morgens grüßt er im Deutschen Haus mit "Moin, Moin". Und abends, wenn sich Sportler, Promis und Funktionäre in dem zum deutschen Treffpunkt umgebauten Museum of London Docklands treffen, diskutiert Holdorf immer noch – oder schon wieder. Jahrzehntelang war er für Adidas tätig. Und einen kleinen Job nimmt er jetzt immer noch für den Ausstatter aus Herzogenaurach wahr. Holdorf passt auf, dass die deutschen Athleten die "richtigen Klamotten" tragen, wie er sagt. Der Deutsche Olympische Sportbund verlangt, dass die Teammitglieder nur die von den Sponsoren zur Verfügung gestellte Kleidung tragen.

(RP/seeg)
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