Situationsbericht London revolutioniert Siegerehrung

London · Erstmals dürfen bei den Siegerehrungen auch Männer Medaillen und Blumen bringen. Nur eine Bastion ist noch nicht gefallen: Es gibt noch keine männlichen Synchronschwimmer.

Olympia 2012: die Goldmedaillen-Gewinner
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Mit ihren violetten Anzügen erinnern die jungen Männer ein bisschen an "Star Trek". Und tatsächlich steht allein ihre Präsenz bei den Siegerehrungen in London für Fortschritt. Erstmals sind bei den olympischen Zeremonien nicht nur Frauen als schmückendes Beiwerk, Medaillen- und Blumenträger im Einsatz, sondern auch Männer.

Lächel-Training

Die Londoner Organisatoren haben fast unbemerkt eine kleine Revolution auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung gestartet. Mussten doch in Peking vor vier Jahren die ausschließlich weiblichen "Hostessen" noch strikten physischen Vorgaben entsprechen: Die Augen nicht größer als drei Zehntel der Gesichtslänge, "elastische" Haut und ein "draller, aber nicht pummeliger" Körper waren vorgeschrieben. Das Stehen auf High Heels und das perfekte Lächeln wurden stundenlang trainiert.

Diese Zeiten sind zumindest in London vorbei. "Das ist ein wichtiges Symbol, und ich bin stolz, dass Großbritannien diese Änderung bei Olympia durchgesetzt hat", sagt Sue Tibballs, Vorsitzende der gemeinnützigen Organisation "Women's Sport and Fitness Foundation".

Violette Anzüge

Die Männer in den violetten Anzügen sind nicht das einzige Zeichen für olympische Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter. Erstmals steigen in diesem Jahr bei Olympia Boxerinnen in den Ring. Damit ist auch die letzte der reinen Männer-Sportarten bei den Sommerspielen erobert. Ebenfalls eine olympische Premiere: Für jedes Land, selbst Saudi-Arabien, Katar und Brunei, gehen weibliche Athleten an den Start.

Die Frauenquote bei den Athleten ist von 42 Prozent in Peking auf 45 Prozent in London gestiegen. Zwei Länder haben sogar mehr Frauen als Männer in ihrem Team: Die USA und Kanada. 132 Goldmedaillen können Frauen in London gewinnen, fünf mehr als 2008 - doch immer noch weniger als die 162, die für männliche Athleten parat liegen.

Manchen geht die Entwicklung zu langsam. Im Kanuslalom kritisierte die Trainerin des australischen Frauen-Teams den olympischen Modus. Für Männer gibt es drei olympische Wettbewerbe, für Frauen nur einen. "Wie kann man von Fairness sprechen, wenn unter insgesamt 82 Athleten nur 21 Frauen sind? Leben wir nicht im 21. Jahrhundert?", fragte Myriam Fox-Jerusalem.

Bastion Synchronschwimmen steht noch

Und eine letzte Bastion will einfach nicht fallen. Männliche Synchronschwimmer forderten den Schwimm-Weltverband FINA auf, ihren Sport endlich auch für männliche Athleten zu öffnen. "Die Welt hat sich weiterentwickelt, das ist ein Anachronismus", sagt Stephen Adshead, Manager des Londoner Schwimmvereins "Out To Swim".

(sid)
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