Beweise für Staatsdoping? Russland zittert vor dem McLaren-Bericht

Toronto · Hat es staatlich gelenktes Doping womöglich unter Mithilfe des Geheimdienstes in Russland gegeben? Diese und weitere Fragen könnten durch den am Montag veröffentlichten WADA-Bericht beantwortet werden. Danach ist das IOC gefordert und muss über Sanktionen entscheiden.

 Richard McLaren leitete die Untersuchung zum Doping in Russland.

Richard McLaren leitete die Untersuchung zum Doping in Russland.

Foto: dpa, shp fdt tmk

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will am heutigen Montag um 15 Uhr (MESZ) in Toronto ihren Untersuchungsbericht zu womöglich vertuschten Dopingproben bei den Winterspielen 2014 in Sotschi veröffentlichen. Dabei geht es auch um die Frage, ob es in Russland Staatsdoping gibt. Der Bericht dürfte Grundlage für die weiteren Diskussionen über einen Komplett-Ausschluss der großen Sportnation bei den Olympischen Spielen sein.

Wo liegt der Schwerpunkt des Berichts?

In erster Linie geht es um die mögliche Manipulation von Dopingproben russischer Sportler bei den Winterspielen 2014 in Sotschi. Auslöser der WADA-Untersuchung waren die Enthüllungen von Grigori Rodschenkow. Der ehemalige Chef des russischen Doping-Kontrolllabors, der sich in die USA abgesetzt hat, behauptet, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung vom Staat vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. Es geht also konkret um die Frage, ob es in Russland Doping auf Anordnung bzw. unter Mithilfe des Staates gegeben hat.

Der kanadische Anwalt Richard McLaren war federführend. Er gehörte bereits der unabhängigen WADA-Kommission an, die ein flächendeckendes Dopingsystem in der russischen Leichtathletik nachgewiesen hat. McLaren arbeitet seit Jahren für den Internationalen Sportgerichtshof CAS und wirkte auch am "Mitchell-Report" mit. Dieser Bericht attestierte dem amerikanischen Profi-Baseball ein flächendeckendes Dopingproblem.

Vermutlich wird sich McLaren nicht nur auf den Sotschi-Skandal konzentrieren. Der Bericht könnte auch weitergehende Ausführungen zu Doping in Sportarten wie Schwimmen, Kanu oder Leichtathletik beinhalten. Angeblich soll der Bericht den Ausschluss der kompletten russischen Mannschaft für die Sommerspiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) fordern. Dies berichtet die Süddeutsche Zeitung. Angeblich handele es sich statt der bisher kolportierten rund 1400 vernichteten Dopingproben um mehr als doppelt so viele.

Mit welchen Ergebnissen ist zu rechnen?

Es wird damit gerechnet, dass McLaren Beweise für die Vertuschung von Dopingproben bei den Winterspielen in Sotschi unter Mithilfe des Staates liefern wird. Er hatte bereits vor Wochen davon gesprochen, dass es "ausreichend erhärtete Beweise" für "staatlich gelenkte Manipulationen" von Doping-Proben im Moskauer Labor gegeben habe - und das mindestens von 2011 bis zur Leichtathletik-WM 2013 in der russischen Hauptstadt.

Das ist unwahrscheinlich. IOC-Chef Thomas Bach predigt zwar "null Toleranz", lehnt bislang aber eine Kollektivstrafe ab. Ein Badminton-Spieler dürfe nicht für Manipulationen eines Offiziellen oder eines Laborleiters bestraft werden. Nur eindeutige Beweise, dass es in den Sommer-Sportarten flächendeckendes Doping gegeben habe, dürften die IOC-Haltung mit Blick auf Rio aufweichen.

Wer würde letztlich die Entscheidung treffen?

In der Leichtathletik hat der Weltverband IAAF bereits die russischen Athleten von Olympia ausgeschlossen. Formell müssten die internationalen Verbände in jeder Sportart eine Einzel-Entscheidung treffen. Dazu wird es aber kaum kommen. Sie werden vom IOC eine klare Richtung einfordern.

In der Vergangenheit wurde der WADA oftmals nachgesagt, Doping-Anschuldigungen nicht konsequent genug zu verfolgen. Whistleblower wie Julia Stepanowa fanden mit ihren Aussagen kein Gehör. Häufig waren erst Enthüllungen durch die Medien wie der ARD oder der "Sunday Times" nötig, um der WADA auf die Sprünge zu helfen. Insbesondere deren Präsident Craig Reedie - als IOC-Vize ohnehin in einem Interessenskonflikt - gab dabei keine glückliche Figur ab.

Inzwischen hat sich die Haltung der WADA geändert. Es wurde jüngst schon klar Position gegen Russland bezogen und wiederholt moniert, dass sich die Kultur nicht gewandelt habe. Die Berufung des Münchner Kriminalbeamten Günter Younger zum Direktor der Ermittlungsabteilung ist womöglich ein weiteres Zeichen dafür, dass die WADA ihrer Rolle als oberste Kontrollinstanz künftig stärker wahrnehmen will.

Die amerikanische Anti-Doping-Agentur ist treibende Kraft bei der Forderung nach drastischen Maßnahmen gegen Russland. Die USADA hatte bereits im Vorfeld zusammen mit den kanadischen Kollegen einen Brief mit der Forderung an das IOC verfasst, Russland von den Spielen auszuschließen. Das Schreiben soll umgehend nach Lausanne geschickt werden, wenn der McLaren-Report Staatsdoping beweist. Mindestens acht weitere NADAs, darunter Deutschland, Spanien, Japan und die Schweiz, haben sich dem angeschlossen. Die USADA entwickelt sich dabei immer mehr zur führenden Kraft im Anti-Doping-Kampf. Schon den Radstar Lance Armstrong hatte sie einst zu Fall gebracht.

Was sagen die Russen?

Sportminister Witali Mutko weist die Anschuldingungen über ein staatlich gelenktes Dopingsystem als "sinnlos" ab. Vielmehr wittern die russischen Funktionäre eine westliche Verschwörung.

Nach dem WADA-Report ist vor dem CAS-Urteil. Der Internationale Sportgerichtshof will bis Donnerstag über den Einspruch gegen den Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten entscheiden. Bei diesem Urteil dürfte der McLaren-Report sicher auch eine Rolle spielen.

(dpa)
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