Olympia-"Quickies" Nach einer Sekunde ist alles vorbei

London · Nach nur einer Sekunde war für Noor Al-Malki alles vorbei. Die 17 Jahre alte Sprinterin aus Katar erlebte Olympia nach ihrem Muskelfasseriss beim Start ihres 100-m-Vorlaufs als "Quickie" - nach jahrelanger Vorbereitung unter widrigen Umständen.

Olympia 2012: Das sind die "Quickies"
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Unter Tränen verließ Al-Malki die Bahn im Olympiastadion. Dabei wollte sie "ein Idol für die Mächen" in ihrer Heimat werden, wie sie zuvor berichtet hatte. In London waren erstmals Frauen aus dem arabischen Emirat bei Olympia, die 155 cm große und 43 kg leichte Al-Malki war Teil eines Quartetts. "Ich trage eine schwere Last, aber ich verspreche, mein Bestes zu geben", sagte sie. Sie mühte sich vergebens - wie viele andere Kurzzeit-Olympioniken.

Der britische Judoka Euan Barton war nach seinem Aus nach nur 1:45 Minuten im ersten Kampf untröstlich. "Ich habe alle im Stich gelassen. Mich, meine Eltern, meine ganze Familie...", schluchzte der 33-Jährige, der in der Klasse bis 81 kg als Medaillenkandidat gegolten hatte. "25 Jahre Schweiß und Entbehrung - dann platzt der Traum in zwei Minuten", schrieb das Boulevardblatt Sun treffend.

Schmähung durch chinesische Zeitung

Nicht immer sind Journalisten so einfühlsam. Eine chinesische Zeitung schmähte Gewichtheberin Zhou Jun als "Schande" für das in London so überaus erfolgreiche Land. Die 17-Jährige hatte sich in der Klasse bis 53 kg drei Mal vergeblich am Anfangsgewicht von 95 kg abgemüht. Effektive Zeit bei Olympia: keine Minute. "Ich weiß nicht, was da oben passiert ist", sagte sie leichenblass.

Kurze Premiere

Etwas länger dauerte der Einsatz von Kim Bui. Die Kunstturnerin aus Stuttgart durfte 2004 in Athen nicht starten, weil sie drei Wochen zu jung war. Für Peking 2008 war sie nur Ersatzturnerin. Als sie endlich ihre Premiere erlebte, war nach drei Übungen und nur rund vier Minuten Schluss. "Dennoch habe ich Olympia ungeheuer genossen. Allein an die Atmosphäre im Olympischen Dorf werde ich mich ein Leben lang erinnern", sagte die 23-Jährige.

Olympia-Geschichte

Dass man mit einem "Quickie" sogar ein Stück Olympia-Geschichte schreiben kann, bewies neben Al-Malki auch Hermann Husslein. Für den Sohn einer Thailänderin und eines Deutschen war nach zwei Vorläufen und rund drei Minuten im Kajak-Einer Endstation. Doch Husslein war der erste Olympia-Starter im Kanu-Slalom für Thailand - und er war selig. "Olympia macht süchtig", sagte er.

Prügelknabe

Bayron Molina Figueroa wird da kaum zustimmen. Der Boxer aus Honduras bezog in seinem ersten Fight im Halbfliegengewicht gegen den Inder Devendro Singh Laishram dermaßen Prügel, dass ihn der Ringrichter nach 2:24 Minuten der ersten Runde aus dem Kampf nehmen musste. "Das war Fallobst", ätzte sein Gegner.

Ganzi Mugula war sogar nur 27,58 Sekunden im Schwimmbecken des Aquatic Centre unterwegs - nach zwölf Jahren Vorbereitung. Der Fahnenträger Ugandas hatte seit 2000 drei vergebliche Anläufe unternommen, sich zu qualifizieren. Die Zeit über 50 m Freistil sei enttäuschend für ihn, sagte er nach dem Aus im Vorlauf, "es waren wohl die Nerven. Aber was soll's, ich bin ein echter Olympionike. Jetzt mache ich erst mal Party."

Kate Walsh, Kapitän der britischen Hockeymannschaft, will sich indes mit einem "Quickie" nicht zufrieden geben. Für Olympia hat sie sogar die Beerdigung ihres Großvaters verpasst. "Das war herzzerreißend", sagte sie. Dann bekam sie im ersten Spiel einen Schläger ab - Kieferbruch. Walsh hat jetzt eine Metallplatte im Gesicht. Am Donnerstagabend saß sie schon wieder auf der Bank.

(sid)
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