800-Meter-Läuferin Semenyas Top-Form wird wieder für Diskussionen sorgen

Rio de Janeiro · Caster Semenya rennt wieder allen davon. Eine neue entwürdigende Debatte um die schnelle Frau aus Südafrika scheint programmiert.

Der Fall der Caster Semenya
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Foto: AFP

Über Caster Semenya ist kaum etwas bekannt. Doch ausgerechnet über das Intimste, ihre Sexualität, redet die ganze Welt. Ist die schnelle Südafrikanerin eine Frau? Ist sie ein Mann? Wie hoch ist ihr Testosteronwert? Die Szene ist in Aufruhr - Semenya rennt vor Olympia wieder zu schnell, um wahr zu sein.

"Ich habe viel durchgemacht. Jetzt bin ich zurück mit einem Knall", sagt Semenya, die Top-Favoritin auf Gold über 800 m. Die 25-Jährige ist mit ihren 1:55,33 Minuten die absolute Nummer eins der Welt und am Zuckerhut kaum zu schlagen. Doch ihre Leistungen werden seit ihrem Aufstieg zur Weltmeisterin 2009 in Berlin von vielen Fragen begleitet. Der englische Guardian schrieb zuletzt über die "Rückkehr der tickenden Zeitbombe".

Unwürdiges Possenspiel

Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hatte 2009 bei Semenya, die vielen zu drahtig und burschikos in die Weltspitze lief, einen Geschlechtertest angeordnet. Die Klärung der Frage, ob die muskulöse Semenya aus Polokwane eine Frau sei, ein Mann oder ob sie Merkmale beider Geschlechter aufweise, wurde zum unwürdigen Possenspiel, das nur Verlierer kannte.

Der Weltverband fand nie eine klare Linie, die Ergebnisse wurden nie veröffentlicht - aber die Zeitungen schrieben, sie habe "männliche Geschlechtsorgane" und "weder eine Gebärmutter noch Eierstöcke".

Semenya wurde regelrecht dämonisiert, sie musste tiefste Eingriffe in ihre körperliche Privatsphäre erdulden. Über diese Zeit will sie nicht mehr reden. "Ich bin eine Athletin und konzentriere mich auf Dinge, die mich betreffen: Training, Leistung bringen, essen, schlafen. Solche Sachen", sagt sie.

Ihr Fall ist ein Lehrbeispiel über die Überforderung der Sportverbände mit dem Thema Intersexualität, die von den Regeln des Sports schlicht nicht vorgesehen ist. Die IAAF schuf hektisch eine neue Regel: Wer als Frau zu viel Testosteron produziert, darf nicht starten oder muss sich einer Therapie unterziehen. Doch auf welcher Basis werden die Grenzwerte festgelegt? Es gibt keine einfache Lösung.

Der internationale Sportgerichtshof CAS hat die IAAF-Regelung zum Hyperandrogenismus mittlerweile ausgesetzt. Sollten bis Sommer 2017 keine neuen wissenschaftlichen Beweise vorliegen, dass hyperandrogene Athletinnen einen deutlichen Leistungsvorteil haben, wird die Regelung aufgehoben. Erzwungen hatte dies die indische Sprinterin Dutee Chand, bei der Testosteronwerte wie sonst nur bei Männern festgestellt wurden. Chand klagte und sagte: "Ich bin, wer ich bin." Sie darf in Rio starten. Auch Semenya muss ihr Testosteronniveau nicht mehr künstlich senken.

Sportrechtler Martin Nolte von der Kölner Sporthochschule sieht die IAAF in der Pflicht. Der Verband müsse "schlicht und einfach seine Hausaufgaben machen und den wissenschaftlichen Nachweis für den Zusammenhang zwischen dem Hormonlevel und der Leistungsfähigkeit bei hyperandrogenen Athleten erbringen", sagte Nolte dem SID. Klagen gegen ein Startrecht Semenyas hätten derzeit "keine rechtliche Grundlage".

"Wenn ich laufe, bin ich glücklich", sagt Semenya, die nach Silber in London nun ganz oben stehen will. Ach ja, ein bisschen ist dann doch über sie bekannt. Sie ist Fan von Manchester United, ihre Freundin heißt Violet Raseboya. Und früher hat sie einmal Karate gemacht.

(sid)
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