Sommerspiele in Rio Olympia wäre der letzte große Wurf für Linda Stahl

Düsseldorf/Leverkusen · Die 30-Jährige ist erfolgreiche Speerwerferin – und Ärztin. Die Olympischen Spiele im Sommer könnten ihr letzter großer Wettkampf sein. Danach will sie das "ganz normale Leben" genießen und sich ihrem Beruf widmen.

Linda Stahl gewinnt Bronze im Speerwurf
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Die 30-Jährige ist erfolgreiche Speerwerferin — und Ärztin. Die Olympischen Spiele im Sommer könnten ihr letzter großer Wettkampf sein. Danach will sie das "ganz normale Leben" genießen und sich ihrem Beruf widmen.

Bei der Präsentation der deutschen Olympia-Kleidung für Rio wirkte Linda Stahl gelöst und locker. Sie habe nun bis Anfang Oktober unbezahlten Urlaub, damit sie sich voll auf den Sport konzentrieren könne, sagt die Speerwerferin des TSV Bayer. Ihr Blick richtet sich auf die Spiele am Zuckerhut. Sie ist eine von vier deutschen Speerwerferinnen mit guten Medaillenchancen, die um drei Startplätze ringen. Die Zeit bis Oktober sei noch einmal ganz dem Sport gewidmet, sagt sie, "aber danach werde ich voll in den Klinik-Alltag einsteigen."

Gemeint ist damit ihre Arbeit als Ärztin im Klinikum Leverkusen. 2006 begann sie parallel zu ihrer Karriere im Sport ein Studium der Humanmedizin. Seit zwei Jahren hat sie ihr Staatsexamen und die Approbation in der Tasche. Seitdem ist sie auch in der Klinik tätig, in der sie ihr Praxisjahr absolvierte. "Irgendwann reicht es auch mit dem Sport", meint die Athletin. "Rio wären meine zweiten Olympischen Spiele, eine Medaille habe ich schon zu Hause - und ich glaube, es ist dann auch gut. Danach fängt das normale Leben an. Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf."

Normal ist bisher eine eher unpassende Umschreibung für den Lebenslauf der Athletin. Die gebürtige Steinheimerin wechselte 2003 von der LG Lippe-Süd zum TSV Bayer. International auf sich aufmerksam machte sie unter anderem mit dem achten Platz bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2007 in Osaka (Japan). Im gleichen Jahr gewann sie bei den U 23-Europameisterschaften Gold. Es war der Auftakt für eine beeindruckende Karriere. 2010 folgte Gold bei der EM in Barcelona. 2012 in Helsinki und 2014 in Zürich ließ sie Bronze folgen. 2012 bei den Olympischen Spielen in London gewann sie Bronze. Die Bestleistung der von Helge Zöllkau trainierten Athletin liegt bei 67,32 Metern.

Während sie auf der Jagd nach Edelmetall um die Welt flog, blieb für das Medizinstudium meist nur wenig Zeit. Geschafft hat sie es trotzdem - mit einer für Leistungssportler typischen Mischung aus Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz und der nötigen Willenskraft. Hinzu kommt Bescheidenheit und Sinn für Humor - zum Beispiel, wenn sie ihre mittlerweile zwölfjährige Sportlerlaufbahn beim TSV Bayer als "halbwegs professionell" bezeichnet, was angesichts ihrer Erfolge freilich ebenso halbwegs untertrieben ist.

Vor Rio steht noch die Leichtathletik-EM in Amsterdam an (6. bis 10. Juli). Nach dem sportlichen Höhepunkt in Brasilien folgt noch das internationale Stadionfest am 3. September in Berlin (ISTAF), das laut Stahl ein "netter Rahmen" wäre, um sich von der sportlichen Bühne zu verabschieden - gesetzt dem Fall, dass Speerwurf der Frauen überhaupt im Programm ist.

Dass die Qualifikation für Olympia noch nicht geschafft ist, erzeugt zwar Druck, den Stahl als "großes Zittern" umschreibt, aber unangenehm ist ihr das nicht - im Gegenteil: Es sei eine Auszeichnung für ihren Sport in Deutschland. "Es gibt vier potenzielle Kandidatinnen mit guten Medaillenchancen, die alle bei der EM unter den besten Zehn waren. "Ich weiß nicht, in welcher Disziplin das ansonsten noch der Fall wäre."

Eine der Konkurrentinnen ist unter anderem Vereinskollegin Katharina Molitor. Hinzu kommen Christin Hussong (LAZ Zweibrücken) und Christina Obergföll (LG Offenburg). "Das wird ein heißer Kampf", ist sich Stahl sicher. Für die Olympia-Nominierung ausschlaggebend dürfte das Abschneiden in Amsterdam werden.

Nun steht für Stahl ein Trainingslager im türkischen Belek an, wo sie mit ihrem Trainer zehn Tage an der Technik feilen will. Danach folgen einige Tage Pause bis zum ersten Wettkampf in Halle an der Saale. Ihr sei es wichtig, zum Start der Saison "eine gute Weite anzubieten", betont sie.

Etwaige Hiobsbotschaften aus Rio nimmt die 2012 mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnete Athletin gelassen. Im Vorfeld der Spiele gibt es immer wieder Meldungen über mangelndes Interesse, politische Unruhen und den grassierenden Zika-Virus in dem südamerikanischen Land. "Für diese ganzen Dinge sind andere zuständig. Meine Aufgabe ist es jetzt, mich zu qualifizieren. Alles andere kann ich nicht beeinflussen."

Olympische Spiele mit schlechter Stimmung? Das könne sie sich nach ihren Erfahrungen 2012 aus London nicht vorstellen: "Wenn man um zehn Uhr zur Quali in das Stadion kommt und es sind schon 80.000 begeisterte Zuschauer da - das war der tollste Wettkampf, den ich je erlebt habe." Bei Olympischen Spielen, ist sie sich sicher, sei jeder begeistert.

Ein bisschen Wehmut kommt angesichts dieser Erinnerungen allerdings auch bei ihr auf: "Bis irgendwann im September die Klappe fällt, werde ich jeden Tag genießen."

(RP)
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