Sensationssieg bei Olympia Del Potros Fahrstuhl-Abenteuer endet in Freudentränen

Rio/Düsseldorf · Am Vormittag saß er 40 Minuten im Fahrstuhl fest und musste vom argentinischen Handball-Team gerettet werden, am Abend sorgte er dann für die bislang größte Sensation der Olympischen Spiele in Rio: Schon zum zweiten Mal riss Juan-Martin del Potro Tennis-Dominator Novak Djokovic aus seinen Medaillenträumen.

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Djokovic und del Potro weinen nach Erstrunden-Match

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Foto: afp

Schon vor vier Jahren bei den Spielen in London hatten sich der Argentinier und der Serbe gegenübergestanden. Damals im Match um Bronze. Und auch damals mit dem besseren Ende für del Potro. "Dieser Sieg ist mir wichtiger. Es war eines der besten Matches meiner Karriere", sagte der 27-Jährige nun nach seinem erneuten olympischen Triumph über Djokovic.

Diese Bewertung, ein Erstrundenmatch höher zu stellen, als den Gewinn der Bronzemedaille, kommt auf den ersten Blick überraschend. Doch wenn man del Potros Geschichte kennt, dann kann man verstehen, warum ihm der 7:6, 7:6-Sieg so viel bedeutet. Del Potro, 2009 Sieger der US Open, hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren auf der ATP-Tour nur 35 Matches bestritten. 2014 und 2015 musste er wegen Operationen am linken Handgelenk fast durchgängig pausieren. In diesem Jahr startete er sein Comeback, muss sich aber immer wieder schonen, um dem geschundenen Körper nicht zu viel zuzumuten.

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Sein Sieg gegen Djokovic ist nichts anderes als eine Sensation. Ein Begriff, der im Sport überstrapaziert wird, doch in diesem Fall darf er ohne Reue verwendet werden. Zumal auch die unmittelbare Vorbereitung von del Potro alles andere als optimal lief. Wegen eines Stromausfalls im Olympischen Dorf saß der frühere Weltranglisten-Vierte, dessen Weg zu Beginn der Karriere so steil nach oben gezeigt hatte und wegen der großen Verletzungsprobleme zuletzt genauso steil wieder nach unten führte, am Vormittag 40 Minuten im Fahrstuhl fest. Die argentinische Handball-Nationalmannschaft kam del Potro, der in seiner Falle keinen Handy-Empfang hatte, schließlich zu Hilfe.

Der Schreck am Morgen bewirkte aber lediglich, dass der Argentinier, der von zahlreichen seiner Landsleute im Tennis-Stadion von Rio unterstützt wurde, am Abend hellwach war. Mit atemberaubenden Power-Tennis brachte er Djokovic zur Verzweiflung. Seine Rückhand, die der Rechtshänder beidhändig schlägt, kann er wegen des schmerzenden linken Handgelenks nur noch in seltenen Fällen voll durchziehen. Meistens entscheidet er sich für den Slice. Doch sein Aufschlag und vor allem seine Vorhand gehören immer noch zu den größten Waffen im Tennis. "Ich habe versucht, meine Vorhand so hart zu schlagen, wie ich kann", erklärte der Weltranglisten-141. sein einfaches wie wirksames Konzept, dem Djokovic nichts entegegenzusetzen hatte.

Der Turm von Tandil, wie der 1,98 Meter große Hüne genannt wird, war nach dem Spiel sichtlich überwältigt. Nach der herzlichen Umarmung mit seinem Gegner am Netz flossen bei del Potro die Tränen. Doch auch Djokovic hatte feuchte Augen, als er den Platz verließ. Nicht vor Rührung, sondern vor Enttäuschung.

"Ohne Zweifel ist es eine der bittersten Niederlagen in meinem Leben, in meiner Karriere", sagte Djokovic nach dem Match, als er sich den Fragen der Journalisten stellte. "Es ist nicht leicht damit umzugehen, vor allem direkt nach dem Match. Die Wunden sind noch frisch."

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Der Schützling von Boris Becker war mit großen Ambitionen ins Turnier gestartet. Nach Bronze vor acht Jahren in Peking wollte der überragende Spieler der vergangenen Jahre endlich Gold holen und galt auch als großer Favorit auf den Olympiasieg. Nicht wenige hatten dem 29-Jährigen zu Beginn des Jahres sogar den "Golden Slam" zugetraut, den Sieg bei allen vier Grand-Slam-Turnieren und Olympia. Dieser Traum platzte schon durch Djokovics ebenfalls überraschende Drittrunden-Niederlage in Wimbledon gegen Sam Querrey. Nur fünf Wochen später zerschellte auch der Traum vom Olympischen Gold — am Turm von Tandil.

(areh)
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