Speerwerferin aus Leverkusen Weltmeisterin Molitor kämpft um Rio-Ticket

Leverkusen · Katharina Molitor ist in dieser Saison nur die viertbeste deutsche Speerwerferin. Bei den Olympischen Spielen dürfen aber nur drei starten. Die nächste Chance hat die Leverkusenerin am Wochenende in Kassel.

Katharina Molitor: Speerwurf-Weltmeisterin und Volleyballspielerin
9 Bilder

Das ist Katharina Molitor

9 Bilder
Foto: dpa

Im Ballraum des Wiener Grand Hotels wird heute womöglich Sportgeschichte geschrieben. Sebastian Coe, Weltverbandspräsident der Leichtathleten, gibt gegen 17 Uhr bekannt, ob die seit November 2015 wirksame Sperre gegen den russischen Verband aufgehoben wird. Oder ob die Großmacht erstmals seit ihrem Boykott von 1984 nicht bei Olympischen Spielen dabei ist.

Die russische Leichtathletik, der flächendeckendes Doping vorgeworfen wird, steht seit Monaten am Pranger. Ein Skandal folgte dem nächsten, was zur Folge hatte, dass der nationale Verband suspendiert wurde. Dieser Ausschluss könnte nun verlängert werden. Für Speerwurf-Weltmeisterin Katharina Molitor wäre dies das "richtige Zeichen, dass systematisches Doping bestraft wird. Wenn die Vorwürfe stimmen, finde ich Sperren richtig." Die 32-Jährige schränkt allerdings ein: "Vielleicht gibt es Athleten, die regelmäßig von der Welt-Anti-Doping-Agentur kontrolliert werden konnten und bei denen die Wada nahezu sicher sein kann, dass sie nicht im russischen Dopingsystem sind. Für die sollten Ausnahmen gemacht werden."

Molitor sitzt in einem Schulungsraum der Leverkusener Leichtathletik-Halle. Auch ihr großes Ziel ist es, sich für die Spiele in Rio zu qualifizieren. Die Norm hat sie geschafft. Gleiches gilt für ihre Teamkollegin Linda Stahl, die - direkt neben ihr - eine ähnliche Meinung vertritt. "Wenn ich lese, dass Dopingkontrolleure in Russland nicht in Wohnungen gelassen werden, wäre ein Ausschluss richtig." Die 30-Jährige hegt vielmehr Zweifel am gesamten System. "Seit der WM in Peking bin ich zweimal kontrolliert worden. Das finde ich ziemlich wenig", sagt sie. Wie Molitor muss sie darauf vertrauen, dass in Wien die richtige Entscheidung getroffen wird. Unabhängig vom Ausgang will Stahl sportlich aber ihr "Ding" auf dem Weg nach Rio durchziehen.

Das Erreichen der geforderten Olympia-Weite heißt bei den Speerwerferinnen aber noch nichts. Der Deutsche Leichtathletik-Verband ist in der Luxussituation, gleich vier starke Frauen im Rennen zu haben. Es gibt aber nur drei Startplätze. Molitor besitzt im Moment die schlechtesten Karten. Hinter Ex-Weltmeisterin Christina Obergföll (64,96 Meter), Ex-Europameisterin Stahl (63,10) und Christin Hussong (62,57) liegt sie deutschlandweit nur an vierter Stelle (62,12).

Zuletzt verpatzte die Athletin des TSV Bayer sogar ihre Diamond-League-Auftritte in Rom und Birmingham: Als Siebte und Achte blieb sie mit Weiten um 58,40 Meter mehr als neun Meter unter ihrem Goldwurf von Peking 2015. Der Traum von den Spielen könnte für Molitor in Gefahr geraten, wenn ihr nicht noch die Wende gelingt. Denn der Verband macht bei seinen Kriterien für Weltmeister keine Ausnahme. Insofern werden die Deutschen Meisterschaften an diesem Wochenende auch für die Speerwerferinnen zu einer wichtigen Standortbestimmung. In Kassel will Molitor im direkten Vergleich ein Signal senden. Die Siegerin hätte ihr Olympia-Ticket dann sicher. Für die anderen geht es darum, möglichst gute Weiten anzubieten. Die wohl letzte Qualifikations-Chance gibt es dann im Juli bei der EM in Amsterdam.

Sonderlich unter Druck zu setzen scheint Molitor die Situation allerdings nicht. 2015 sei ihr binnen vier Tagen mal eine Verbesserung von mehr als zehn Metern gelungen. "Ich kann mich also steigern", sagt die Werferin lächelnd, die erst ins fortgeschrittene Athletinnenalter von 31 Jahren kommen musste, um einen großen Erfolg zu feiern. Molitor war immer das Multitalent, das nebenbei in der 2. Volleyball-Bundesliga spielt. Das aber lange im Schatten anderer stand.

Mit ihrem deutschen Meistertitel in Nürnberg deutete sie an, dass 2015 ihr Jahr werden könnte. Es folgten der WM-Triumph und terminreiche Wochen. Was sich seitdem verändert hat? "Man kommt in jedes Diamond-League-Meeting", entgegnet sie scherzhaft. "Außerdem bekommen Weltmeister ein Einzelzimmer und dürfen auch mal Business fliegen."

Ansonsten, sagt sie, "spielt dieser Titel keine große Rolle". Vor Rio werden die Karten neu gemischt. "Ich weiß, dass die anderen drei genauso stark sind und ich gute Leistungen bringen muss, um dabei zu sein", sagt Molitor. Ihre Worte klangen wie eine Ankündigung.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort