Zeugen bestreiten Überfall US-Schwimmer Lochte soll betrunken randaliert haben

Rio de Janeiro · Erneute Kehrtwende in der Überfall-Novela um den amerikanischen Schwimm-Olympiasieger Ryan Lochte: Die Kriminalpolizei in Rio de Janeiro geht nach Anhörung weiterer Zeugen und Ansicht eines Überwachungsvideos nun davon aus, dass es keinen bewaffneten Raubüberfall auf die vier Mitglieder des US-Teams gegeben habe.

Olympia 2016: US-Schwimmer Ryan Lochte soll betrunken randaliert haben
Foto: dpa, gh nic

Vielmehr habe das Quartett an einer Tankstelle randaliert und die Lügengeschichte erfunden, um den Vorfall zu vertuschen. An der Untersuchung beteiligte Kriminalbeamte bestätigten gegenüber brasilianischen Medien, dass die wohl angetrunkenen Schwimmer auf der Toilette der Tankstelle randaliert hätten. Da die herbeigerufene Polizei nicht sofort eintraf, wurden die Amerikaner von einem Wachmann mit einer vorgehaltenen Schusswaffe zum Verbleib gezwungen. Lochte und Co. bezahlten jedoch den Sachschaden und durften dann gehen.

Lochte, der bei den Olympischen Spielen Gold mit der 4x200-Meter-Freistilstaffel gewonnen hatte, blieb zunächst auch nach seiner Rückkehr in die USA bei seiner Version, er und weitere Mitglieder des US-Teams seien ausgeraubt worden. Ein NBC-Reporter berichtete, Lochte habe in einem siebenminütigen Telefoninterview versichert, dass die von den brasilianischen Behörden angezweifelte Geschichte keine Erfindung sei.

Ryan Lochte: "Wir sind die Opfer"

"Wir sind die Opfer, und wir sind froh, in Sicherheit zu sein", habe Lochte gesagt. Mit leicht veränderten Details habe er wiederholt, er sei mit seinen Teamkollegen an einer Tankstelle mit vorgehaltener Waffe überfallen und ausgeraubt worden.

Lochte hat mittlerweile leicht reden. Er hat Brasilien bereits in Richtung Heimat verlassen. Seine Teamkollegen Gunnar Bentz und Jack Conger dagegen wurden unmittelbar vor dem Rückflug in die USA aus dem Flugzeug heraus in Gewahrsam genommen.

Wegen erheblicher Zweifel an den Aussagen ihrer Mitstreiter Lochte und James Feigen zum vermeintlichen Überfall hatte eine Justizbehörde den Schritt angeordnet. Später wurden Bentz und Conger auf freien Fuß gesetzt, dürfen das Land aber nicht verlassen und mussten sich für weitere Anhörungen am Donnerstag zur Verfügung halten. Dasselbe gilt für Feigen, der ebenfalls noch in Brasilien weilt.

Vor allem ein am Dienstag von der britischen Tageszeitung "Daily Mail" veröffentlichtes Video widerspricht den Aussagen der angeblich überfallenen Schwimmer. Die Bilder einer Überwachungskamera zeigen die Schwimmer bei der Ankunft gegen sieben Uhr morgens im Olympischen Dorf, als sie völlig ruhig und gelassen ihre Wertsachen beim Security-Check auf das Band des Röntgengerätes legen.

Bei der ersten Polizeivernehmung hatten die Schwimmer erklärt, schon gegen vier Uhr eine Party im Stadtteil Leblon verlassen zu haben und auf der Taxifahrt von bewaffneten Dieben, die sich als Polizisten ausgegeben hätten, mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt worden zu sein.

"Die brasilianischen Behörden wollen jetzt nur ihr Gesicht wahren, nachdem sie zugelassen haben, dass sich der ganze Vorfall zu einem Zirkus entwickelt hat", sagte Lochtes Anwalt Jeff Ostrow.

Brasilien kann keine Negativschlagzeilen gebrauchen

Polizei und Staatsanwaltschaft sehen die Sache anders. Sie reagieren äußerst sensibel, weil das Thema Gewalt ohnehin die Olympischen Spiele schon mehr als genug berührt hat. Ein Schuss auf das Pressezelt der Reiter in Deodoro, ein Pressebus, der beschossen oder angeblich doch nur von Rowdies mit Steinen beworfen wurde - Vorfälle wie diese produzierten mehr als genug Negativschlagzeilen während Olympia.

Nun wollen die Behörden nicht noch über Verbrechen in der Presse lesen, begangen von falschen Polizisten mit falschen Dienstmarken, die US-Staatsbürger Waffen an die Stirn halten - wenn das alles möglicherweise gar nicht stimmt. Für falsche Angaben in einem Polizeibericht droht in Brasilien bis zu einem halben Jahr Haft.

(sb/sid)
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