Whistleblowerin vor dem Nichts Harting startet Spendenaktion für Stepanowa

Für ihre Enthüllungen als Doping-Kronzeugin hat Julia Stepanowa viel Anerkennung bekommen. Bei den Olympischen Spielen in Rio darf sie dennoch nicht starten. Nun steht sie vor einem kompletten Neuanfang. Vier Top-Athleten haben eine Spendenaktion ins Leben gerufen.

 Julia Stepanowa steht vor einer ungewissen Zukunft.

Julia Stepanowa steht vor einer ungewissen Zukunft.

Foto: dpa, mkx nic

Kein Olympia-Start, kein Geld, kein normales Leben - aber trotzdem nicht mutlos. Nach dem zerstörten Traum vom Start bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro steht Doping-Kronzeugin Julia Stepanowa nahezu vor dem Nichts. Seit acht Monaten lebt die 30 Jahre alte Leichtathletin mit ihrem Mann Witali und ihrem Sohn in einer geheimgehaltenen Kleinstadt in den USA und ist auf Spenden für den Lebensunterhalt angewiesen. "Natürlich ist es mit einem zweijährigen Sohn nicht leicht. Aber wir kommen zurecht", sagte die 800-Meter-Läuferin in einem Interview des Fernsehsenders "Sky Sport News HD" mit einem gequälten Lächeln.

Die Enttäuschung über die Verweigerung eines Olympia-Starts durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) sitzt tief. "Ich habe schon immer davon geträumt, Olympiasiegerin zu werden", sagte Stepanowa. Immerhin hatte ihr der Leichtathletik-Weltverband IAAF die Starterlaubnis erteilt. Dadurch konnte sie bei der EM in Amsterdam starten, wenngleich sie dort wegen einer Fußverletzung ihr Rennen nicht beenden konnte. "Natürlich würde ich mir wünschen, dass sich das IOC auch für mich einsetzt und mich unterstützt. Aber es passiert das Gegenteil: Ich werde bestraft", fügte sie hinzu.

Moralische Unterstützung aus aller Welt

Aus aller Welt erfahren sie und ihr Mann, der einst bei der Russischen Anti-Doping-Agentur (RUSADA) gearbeitet hat, zumindest moralische Unterstützung. "Sie ist nach meiner Meinung die einzige Person, die es verdient, wieder integriert zu werden in den Sport", sagte Diskus-Olympiasieger Robert Harting in einer Videobotschaft über die Läuferin und rief zu Spenden auf. Auch die kanadische Skilanglauf-Olympiasiegerin Becky Scott warb für finanzielle Hilfe. "Sie haben den vielleicht größten Beitrag für einen sauberen Sport geleistet", meinte das Mitglied der IOC-Athletenkommission.

"Ich empfinde die beschlossene Aussperrung der russischen Athletin Julia Stepanowa, die mit der Aufdeckung russischer Betrügereien dem sauberen Sport einen großen Dienst erwiesen hatte und in der Folge aus ihrer Heimat flüchten musste, als einen schamlosen Akt und eine einzigartige Verbeugung vor der Machtpolitik eines bloßgestellten Staates", erklärte der frühere deutsche Spitzenfunktionär Hans-Wilhelm Gäb und kündigte die Rückgabe seines olympischen Ordens an. Damit wolle er gegen die Entscheidung des IOC protestieren, Russland wegen Staatsdopings nicht von den Spielen in Rio auszuschließen.

Eine in Darmstadt gestartete Petition für einen Olympiastart von Stepanowa haben innerhalb eines Tages mehr als 35.000 Menschen unterschrieben. IOC-Präsident Thomas Bach verteidigte den Ausschluss damit, dass sie Teil des russischen Dopingsystems war. Die Läuferin war von 2013 bis 2015 wegen Dopings gesperrt. Eine Einladung Bachs, als Gast nach Rio zu kommen, hat Julia Stepanowa abgelehnt. "Hätte Julia nicht die Wahrheit gesagt, wäre sie als Athletin dabei gewesen. Aber so ist alles angekommen", sagte Witali Stepanow.

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Ein Klage vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wird Julia Stepanowa wohl aus Geldmangel nicht anstreben. Harting, Scott, die ehemalige Sprinterin und Bobfahrerin Lauryn Williams (USA) sowie Skeletonpilot Ben Sanford (Neuseeland) haben das Spendenprojekt "Eine strahlende Zukunft für die Stepanows" gestartet. Am Mittwochmittag waren 33.518 Schweizer Franken (ca. 31.000 Euro) von angestrebten 80.000 Schweizer Franken eingegangen.

Das Geld soll dem Lebensunterhalt dienen. Denn in den USA haben Stepanowa und ihr Mann noch keine Arbeitserlaubnis. Sie lernt englisch und trainiert, um weiter international starten zu können. "Wir fühlen uns hier sicher, weil uns niemand kennt. Wir hoffen, dass wir eine Aufenthaltgenehmigung bekommen und bleiben können", sagte Witali Stepanow.

(dpa)
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