Olympia 2016 Die Pressestimmen zur IOC-Entscheidung
Es ist belegt, dass Russland Staatsdoping betrieben hat. Trotzdem hat das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) russischen Athleten kein generelles Startverbot für Olympia in Rio (5. bis 21. August) erteilt. Die Entscheidung liegt bei den einzelnen Sportverbänden. Wir haben die Pressestimmen dazu gesammelt.
BBC (Großbritannien): "Die Entscheidung des IOC stößt auf breite Kritik. Viele werden sagen: Wenn offenbar das gesamte Anti-Doping-Programm von einer Gastgeber-Nation untergraben wurde, wann gibt es dann überhaupt einen kompletten Ausschluss von den Spielen? Das IOC hat schon schwere Zeiten überstanden, aber noch nie gab es eine Situation wie diese. Es ist traurig für das IOC. Es war lange ein Musterbeispiel für sportliche Führung. Aber dieser Status ist nun ernsthaft gefährdet."
The Independent (Großbritannien): "Bei den Olympischen Spielen geht es um individuelle Leistungen. Das war schon immer so. Ein kompletter Ausschluss Russlands hätte das verleumdet."
Daily Mail (Großbritannien): "Bühne frei für die chaotischsten und verrufensten Olympischen Spiele der Geschichte. Trotz der enormen staatlich gestützten Doping-Betrügereien, mit denen Russland die Sportwelt jahrelang in Verruf gebracht hat, darf das Team von Russland in Rio starten."
Guardian (Großbritannien): "Die mutige Athletin Julia Stepanowa, die den Skandal erst öffentlich gemacht hat, darf (...) nicht starten. (...) Es hinterlässt das ungute Gefühl, dass die vielleicht wichtigste Whistleblowerin in der Geschichte des Sports geopfert wurde, um Wladimir Putin zu besänftigen."
Kommersant (Russland): "Russland bleibt im Spiel. Dank dem IOC bleibt dem einheimischen Sport die größte Katastrophe seiner Historie erspart."
Moskowski Komsomolez (Russland): "Bach sagte: Auf geht's. Die russische Fahne wird über den Olympischen Spielen in Brasilien wehen."
Sport Express (Russland): "Im Krieg gegen den im Doping versinkenden russischen Sport ist eine Feuerpause eingetreten. Unsere Mannschaft hat bedeutende Verluste erlitten. Aber das Hauptziel ist erreicht: die vollwertige Teilnahme an Olympia in Rio. Das ist das Wichtigste."
L'Équipe (Frankreich): "Das Internationale Olympische Komitee hat seinen Mut genommen, ihn vorsichtig in eine Schublade gelegt und deren Schlüssel verlegt. Der Ethikwächter des Sports haben der Politik den Vorzug gegeben. (...) Besessen von ihrem Verlangen, nicht die Einheit der olympischen Bewegung zu zerbrechen, haben Thomas Bach und seine Kollegen es vorgezogen, ihre Verantwortung an die Verbände abzutreten, die auf Milde gedrängt haben. Sie haben ihre Hände gewaschen. Das ist biblisch. Wie Pontius Pilatus."
Le Républicain Lorrain (Frankreich): "Nie zuvor war der Sport so sehr das Abbild der Gesellschaft, die er zu unterhalten vorgibt: formatiert, eingerahmt, unlauter und von finanziellen und politischen Erwägungen dominiert. (...) Das Internationale Olympische Komitee, das eigentlich die obersten Werte des Sports schützen soll, beweist sein heimliches Einverständnis mit einer übelriechenden Geopolitik. Indem es sich (...) weigert, die russischen Sportler von den Spielen von Rio auszuschließen - trotz eines belastenden unabhängigen Berichts, der ein "System des Staatsdopings" aufgedeckt hat -, ist das IOC feige vor Wladimir Putin eingeknickt."
El Mundo (Spanien): "Mit der Entscheidung gegen den Ausschluss Russlands wäscht das IOC seine Hände in einer Sache in Unschuld, bei der es um viel mehr als um Sport geht, wenn man die olympische Vorgeschichte des Giganten aus dem Osten sowie die Position Russlands auf dem geopolitischen Schachbrett bedenkt. (...) Man kann (...) vorstellen, welchem Druck das IOC ausgesetzt war, damit die russische Hymne bei den Spielen erklingt (...)."
Marca (Spanien): "Das IOC hisst die Fahne Russlands. Alle Forderungen nach einer drastischen Position wurden überhört."
La Vanguardia (Spanien): "Das IOC traut sich nicht gegen Russland."
El País (Spanien): "Russland wird in Rio dabei sein. Das IOC öffnet den Sportlern die Tür zur Teilnahme an den Spielen, falls sie strenge Doping-Voraussetzungen erfüllen."
"Rheinische Post": "Gute Freunde kann niemand trennen. Thomas Bach hat nicht nur ein großes Herz für Sportler, sondern auch ein ausgeprägtes Gefühl für sportpolitische Koalitionen. Weil er im russischen Verband bis in die politische Spitze des Landes um Präsident Wladimir Putin starke Verbündete hat, war er sicher nicht begeistert, dass ihm eine Entscheidung im Dopingfall Russland abverlangt wurde. Die Russen haben ihn bei der Wahl ins Präsidentenamt vor drei Jahren unterstützt, und sie richten zahlreiche sportliche Großereignisse aus. Diese Großereignisse braucht der Konzern IOC, sie sind der Treibstoff der olympischen Geldmaschine. Deshalb ist Bach mit der IOC-Führung dankbar durch das kleine Loch geschlüpft, das ihm die Statuten lassen."
"Bild": "Ein Urteil zum Schämen! Anstatt endlich mal im Anti-Doping-Kampf klare Kante zu zeigen, ist es ein Urteil zum Schämen. Keine einzige Maßnahme, die Russland wirklich weh tut. Dabei haben Putin und seine Unterstützer die Sportwelt die letzten Jahre betrogen wie niemand seit dem Untergang der Sowjetunion. Der Fan vor dem Fernseher zu Hause versteht nicht die juristischen Spitzfindigkeiten, die Bach und seine Gefolgschaft zu ihrer Entscheidung verleiten haben lassen."
"Süddeutsche Zeitung": "Russland darf zu Olympia: Die Schattenwelt gewinnt. Am Ende war wieder die Sportpolitik stärker. Stärker sogar als der von einer Fachkommission unter dem kanadischen Rechtsprofessor Richard McLaren ermittelte Faktendruck, der ein staatlich orchestriertes Massendoping in Russland minutiös darlegt. Aber das Internationale Olympische Komitee setzte eine andere Priorität: Es will Wladimir Putin nicht desavouieren, und so entschied es Sonntagnachmittag, als hätte der Kremlchef selbst die Telefonschalte geleitet und nicht sein Freund Thomas Bach: Kein Komplett-Ausschluss von Russlands Athleten."
"FAZ": "Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, Russland nicht komplett von den Spielen in Rio auszuschließen, zeugt von Feigheit. Dem IOC und seinem Präsidenten ist der eigene Ruf offenbar völlig gleichgültig. Mit der Entscheidung gegen einen kompletten Ausschluss der russischen Mannschaft von den Olympischen Spielen in Rio hat das IOC jedenfalls die Werte, für die es angeblich steht, verraten. Angesichts dessen muss die Frage erlaubt sein, wer eigentlich solche Olympischen Spiele noch braucht. Die „Ethik“, über die Funktionäre so gerne reden, ist in der Praxis schwerlich mit dem zu vereinbaren, was gemeinhin „Anstand“ genannt wird."
"Die Welt": "Der historische Urteilsspruch blieb aus. Bislang wurde in der über 100-jährigen Geschichte der Olympischen Spiele noch nie einen Nation wegen Dopingvergehens vom größten Sportereignis der Welt ausgeschlossen. Dabei bleibt es. Russland wird bei den am 5. August in Rio de Janeiro beginnenden Sommerspielen als Land um die begehrten Medaillen kämpfen."
"Spiegel Online": "Trotz belegtem Staatsdoping darf das russische Team teilweise in Rio starten. Das zeigt: Der russische Einfluss auf das IOC ist enorm. Auch der Umgang des Weltverbands mit der Whistleblowerin Julia Stepanowa ist dafür ein Beleg. In jedem Satz, bei jedem Wort war Thomas Bach eine gewaltige Nervosität anzumerken. Er kam häufig ins Stottern, suchte nach Worten und brachte dann oft nur bruchstückhafte Sätze über die Lippen, um zu erklären, was in aller Welt jetzt noch heftiger diskutiert wird, als in den Monaten zuvor - und was nun vor allem die Wettbewerbe der Olympischen Spielen in Rio de Janeiro überschatten wird, die bereits am 3. August mit den ersten Fußballspielen beginnen."
"Focus Online": "Mit dieser Begründung macht sich das IOC lächerlich. Trotz nachgewiesenen staatlichen Dopings darf die russische Olympia-Mannschaft nach Rio. Mit der Entscheidung gegen einen Generalausschluss macht das IOC sich und die Wada lächerlich. Der deutsche IOC-Chef Thomas Bach steht im Mittelpunkt der Farce. Denn trotz nachgewiesenen Staatsdopings bei den Winterspielen 2014 in Sotschi wird die russische Mannschaft nicht aus der olympischen Familie verbannt."
"Hamburger Abendblatt": "Fatale Entscheidung: IOC verpasst klares Signal gegen Doping. Dass das IOC die Empfehlung der Welt-Antidoping-Agentur unterlaufen hat, die sich aufgrund eindeutiger Beweise für einen kompletten Ausschluss Russlands ausgesprochen hatte, mag nicht nur rechtsstaatlichem Empfinden – mit dem Verweis auf die Unschuldsvermutung jedes Einzelnen – geschuldet sein. Das IOC scheute die Machtprobe mit Russland, und es fürchtete Schadenersatzforderungen im höheren Millionenbereich."
"Weser-Kurier": "Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Russland nicht von den Olympischen Spielen auszuschließen, ist falsch. Dass die Russen zufrieden sind, ist klar: Ihre Verfehlungen, die der Report der Welt-Anti-Doping-Agentur öffentlich machte, fallen nicht mehr ins Gewicht. Vielmehr sollen die Sommersportverbände nun in jedem Einzelfall prüfen, ob ein russischer Athlet in Rio starten darf oder nicht. Ein perfider Schachzug des IOC, das den Ball zurück in die Verbände spielt."
"Badische Zeitung": "Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat die vielleicht einmalige Chance vergeben, sich endlich einmal über den Kampf gegen Doping zu definieren. Die Entscheidung, Russland mit einem Rumpfteam in Rio starten zu lassen, ist ein Bückling vor einer großen Sportnation. Die IOC-Entscheidung ist zudem feige. Denn nun müssen die Fachverbände der 28 olympischen Sommersportarten entscheiden, welche russischen Sportler in Rio starten dürfen. Damit hat die IOC-Exekutive die Verantwortung abgeschoben und den Schwarzen Peter weitergereicht."
"Stern": "Das Internationale Olympische Komittee hat sich nicht zu einem kompletten Ausschluss Russlands von Olympia in Rio durchringen können. Stattdessen sollen nun die einzelnen Sportverbände entscheiden, wer starten darf und wer nicht. Demonstrativ hatte Kremlchef Wladimir Putin zuletzt die Gründung einer neuen Anti-Doping-Kommission in Russland angekündigt – womöglich auch, um einem Komplett-Bann zu entgehen."
"Hamburger Morgenpost": "Russland doch bei Olympia dabei. Kuscht Bach vor Putin? Das russische Team wird kleiner sein als üblich bei Olympischen Spielen. In Rio ist 'Russländchen' am Start. Die russischen Leichtathleten bleiben gesperrt. Welche russischen Sportler in Rio starten dürfen, sollen jetzt die einzelnen internationalen Sportverbände in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Sportgerichtshof CAS entscheiden. Wie gewissenhaft das elf Tage vor den Spielen gelingen kann, ist höchst fraglich. Den schwarzen Peter haben jetzt die Verbände. Das IOC, das bei den Winterspielen in Sotschi 2014 mit Russland glänzende Geschäfte gemacht hat, kommt um eine offene Konfrontation mit dem Riesenreich herum."
"Tagesspiegel": "Bachs Antwort ist ein sportpolitischer Balanceakt. Russlands Leichtathleten und Sportfunktionäre bleiben zwar von den Olympischen Spielen in Rio ausgeschlossen. Vor der erstmaligen Verbannung einer ganzen Nation scheuten Bach und das IOC aber zurück. Laut der eigenen Regularien hätte der Verband die Möglichkeit dazu gehabt, Russland die Teilnahme in Gänze zu verwehren. Olympia ist eine Einladungsveranstaltung, Einladungen können ohne Grund entzogen werden. Und es hätte sogar einen ziemlich guten Grund dafür gegeben: In Russland wurde mindestens von Ende 2011 bis August 2015 staatlich angeordnetes, systematisches Doping“ durchgeführt."
"Augsburger Allgemeine": "Die Drückeberger des IOC. Das IOC öffnet den russischen Athleten den Weg zu den Olympischen Spielen. Präsident Thomas Bach macht sich damit angreifbar. Es ist eine halbherzige Lösung – mit einem IOC in der Rolle des Drückebergers. Präsident Thomas Bach wird mit dem Vorwurf leben müssen, dass er die ganz große Konfrontation mit der Führung in Moskau scheute."
"Sportschau.de": "Demonstrativ hatte Kremlchef Wladimir Putin zuletzt die Gründung einer neuen Anti-Doping-Kommission in Russland angekündigt - womöglich auch, um einem Komplett-Bann zu entgehen."
La Repubblica: "Hamilton erobert die Macht zurück. Perfekter Start in Ungarn, sofort vor Rosberg und auch ein Führungswechsel in der WM. Ferrari macht sich keine Illusionen mehr, jetzt ist die Gefahr Red Bull."
Reaktionen zur IOC-Entscheidung im Fall Russland