Ryan Lochtes Lügengeschichte Ein "hässlicher Amerikaner" macht Brasilien wütend

Rio de Janeiro · Er gab vor, in Rio de Janeiro überfallen worden zu sein. Das Image von Schwimm-Star Ryan Lochte ist nun dahin. Die Brasilianer sind stinksauer auf den sechsmaligen Olympiasieger, die Heimat schämt sich.

Twitter-Nutzer machen sich über Lochte-Lügenstory lustig
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Foto: dpa, gh nic

"Der hässliche Amerikaner". So titelt am Freitag die "New York Post" in ihrer Freitagsausgabe. Auf dem Titelblatt zu sehen: Ein durchtrainierter, tätowierter, lasziv dreinblickender Ryan Lochte mit freiem Oberkörper — neben Michel Phelps der Schwimm-Superstar der Vereinigten Staaten. Ein Olympionike mit insgesamt zwölf olympischen Medaillen, sechs davon in Gold. Eine Ikone, eine Werbefigur, einer, den die US-Öffentlichkeit liebt. Ein Sunnyboy, der hin und wieder auch durch dümmlich wirkende Aussagen in Interviews positiv freundlich auffiel. "Ich war immer gut darin, Dinge von einem Ohr zum anderen durchzulassen", sagt Lochte selbst.

Nun hat der 32-Jährige neben Edelmetall aber auch viel Ärger am Hals. Sein Kredit in der Heimat ist jedenfalls verspielt. "Lügner, Lügner", heißt es weiter auf dem Titelblatt der New Yorker Zeitung über den auch in Rio den Janeiro erfolgreichen Schwimmer: "Ryan Lochte verkörpert alles, was die Welt an Amerika hasst." Die "Washington Post" beschimpft den extrovertierten Sportler nicht nur als "die dümmste Glocke, die je geläutet hat", sondern auch als eingebildeten Hansel, der glaubt "sein Urin sei Goldstaub". Sogar das FBI soll nach brasilianischen Berichten gebeten werden, im Fall Lochte zu ermitteln.

Randale an der Tankstelle

Was war passiert: Lochte und seine Kollegen Gunnar Bentz (20), Jack Conger (21) und James Feigen (26) hatten behauptet, am frühen Sonntagmorgen mit vorgehaltener Waffe überfallen worden zu sein. Doch beweisen Überwachungskameras das Gegenteil. Lochte ist ein dreister Lügner, dem es zu peinlich war, zuzugeben, dass er und seine drei Teamkameraden betrunken, wie pubertierende Teenager in der Nacht an der Tankstelle randaliert haben. Bei einer Pinkelpause zerstörten die vier die Tür der Toilette, rissen Hinweisschilder und Seifenspender ab und urinierten zu guter Letzt mitten in den Sanitärbereich.

Lochtes Lüge schlägt hohe Wellen: Nicht nur die US-amerikanische Presse ist aufgebracht. Auch die Brasilianer fühlen sich in ihrem Stolz verletzt. Seit Beginn der Spiele stand die Sicherheit in Rio de Janeiro im Fokus. Trotz des Eisatzes von knapp 90.000 Soldaten und Polizisten waren Touristen und auch Sportler Opfer von Gewalttaten geworden. Allen voran ein neuseeländischer Olympia-Teilnehmer, der von falschen Polizisten entführt und gedrängt wurde, am Geldautomaten Geld abzuheben. Zwei australische Trainer wurden mit vorgehaltenem Messer am Strand von Ipanema beraubt. Dazu Einschüsse am Reitzentrum unklarer Herkunft.

Dass Lochte mit seiner bewussten Falschaussage mit den Sorgen der Brasilianer spielte und den Finger in die Wunde legte, empfinden die Brasilianer als beleidigend. "Die Bürger von Rio mussten erleben, wie der Name ihrer Stadt durch eine Lügengeschichte beschmutzt wurde. Es wäre angemessen, um Entschuldigung zu bitten. Das ist bis jetzt nicht passiert", sagte der leitende Ermittler Fernando Veloso bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Erst am späten Abend reagierte das US-Olympiakomitees (USOC), bestätigte den Vorfall und bat die Gastgeberstadt Rio "und die Menschen in Brasilien" um Verzeihung.

Lochte benahm sich wie ein "Gringo"

Lochtes Lüge habe eines der größten Probleme der Brasilianer berührt, sagte Brian Winter, Vize-Präsident des "Council of the Americas" — einer Organisation, die freien Handel, Demokratie und offene Märkte zwischen Nord- und Südamerika fördert. Lochte habe sich benommen wie ein "Gringo (ein Schimpfwort für US-Amerikaner), die Brasilien wie eine drittklassiges Spring-Break-Ziel behandeln, in dem sie die Polizei belügen und straffrei in die Heimat fliehen können", sagte er der "New York Times".

Lochte hat das Land bereits Richtung Florida verlassen, Bentz und Conger wurden an der Ausreise gehindert und von der Justiz in Rio befragt. Beide haben am Donnerstagabend ein Flugzeug Richtung USA bestiegen. Sie hätten nichts mit der von Lochte erzählten Geschichte zu tun, betonte ihr Anwalt Serio Riera. Die beiden seien nur als Zeugen vernommen worden. "Sie haben keine falsche Aussage gemacht. Sie habe in ihrer Stellungnahme nicht gelogen." Feigen muss eine Geldstrafe von 10.800 Dollar zahlen und darf dann auch ausreisen. Nach Angaben seines Anwalts Breno Melaragno werde Feigen das Geld an eine nicht näher benannte "Einrichtung" zahlen.

Die Affäre wird nicht ohne Folgen bleiben. Die brasilianische Polizei will nun das FBI um Mithilfe bitten, um weitere Informationen von Lochte zu bekommen. Zwar äußerte Rio-Sprecher Mario Andrada Verständnis für die "Jungs" und deren Party-Nacht. Polizei und Staatsanwaltschaft sehen die Sache da schon anders. Sie reagieren äußerst sensibel, weil das Thema Gewalt ohnehin die Olympischen Spiele schon mehr als genug im Griff hat. Falsche Schlagzeilen wollten sie sich nun nicht mehr bieten lassen.

(kt99)
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