Fabelzeiten im Schwimmen Die Weltrekordflut und das mulmige Gefühl

Rio de Janeiro · Alle zeigen mit dem Finger auf Julia Jefimowa und Sun Yang. Die Fabel-Weltrekorde im olympischen Becken schwimmen andere. Einige Zeiten sind "unerklärlich", sagte der deutsche Bundestrainer.

Olympia 2016: Alle Weltrekorde der olympischen Spiele in Rio
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Alle Weltrekorde der Spiele in Rio

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Die überführten Dopingsünder Julia Jefimowa und Sun Yang stehen im olympischen Schwimmstadion von Rio de Janeiro am Pranger, aber auch die Fabel-Weltrekorde der Stars werfen Fragen auf. "Manche Dinge kann man erklären, andere bleiben erst mal unerklärlich", sagte Bundestrainer Henning Lambertz, der sich über die Flut an Bestmarken "nicht unbeschwert freuen" kann. Vor allem die enormen Leistungssprünge der amerikanischen Fünffach-Weltmeisterin Katie Ledecky und der ungarischen "Iron Lady" Katinka Hosszu findet der Chefcoach des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) "erstaunlich".

Ledecky hatte über 400 m Freistil ihren eigenen Weltrekord um fast zwei Sekunden verbessert, Hosszu schwamm bei ihrem Triumph über 400 m Lagen sogar 2,07 Sekunden schneller als die Chinesin Ye Shiwen, die vor vier Jahren in London viele Dopingfragen hatte beantworten müssen. "Wenn man fast 30 ist, wo kommen dann die Sekunden her?", fragte Lambertz mit Blick auf die 27-jährige Ungarin, die zur Halbzeit der Schwimmwettbewerbe bereits dreimal Gold gewonnen hatte.

Bei Ledecky sei die Leistungsexplosion vor vier Jahren in London, als sie sich bei ihrem Sieg über 800 m Freistil um fünf Sekunden steigerte, nachvollziehbar gewesen. "Bei einer unbeschwerten 15-Jährigen kann man sich das erklären", meinte der Bundestrainer. Mit 19 Jahren allerdings seien die Leistungssprünge der Amerikanerin, die mittlerweile die Weltrekorde über 400, 800 und 1500 m Freistil hält, so nicht mehr zu erklären. Bei ihrem Sieg über 200 m verpasste sie allerdings die neun Jahre alte Bestmarke von Federica Pellegrini deutlich.

"Muss nicht mit Doping zu tun haben"

"Es muss nicht mit Doping zu tun haben, aber es gibt Fragezeichen", formulierte Lambertz betont vorsichtig. Ging es in den ersten Tagen der Schwimmwettbewerbe um das Thema Doping, schossen sich alle auf Jefimowa und Sun ein. Die russische Brust-Weltmeisterin, eigentlich wegen ihrer Dopingsperre vor drei Jahren aufgrund der Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) nicht für Rio zugelassen, klagte ihren Start ein und gewann über 100 m Brust unter den Pfiffen und Buhrufen der Zuschauer Silber.

Chinas umstrittener Star Sun, 2014 des Dopings überführt, aber nur für drei Monate gesperrt, musste sich nach seinem Sieg über 200 m Freistil von seinen Konkurrenten als "Betrüger" bezeichnen lassen. Fast schien es so, als seien Russen und Chinesen die einzigen Schwimmer, die mit unerlaubten Mitteln ihre Leistung steigerten. "Es gibt mehrere, die es schon getan haben, auch die Amerikaner", sagte Lambertz.

Nach den Enthüllungen in der Leichtathletik und bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi mit der Verwicklung staatlicher Stellen in systematisches Doping steht vor allem Russland im Zentrum der Kritik. "Aber man sollte nicht nur mit dem Finger auf einen Einzigen zeigen", meinte Lambertz: "Ich habe gelesen, dass wir in Deutschland die meisten unangemeldeten Kontrollen überhaupt haben. Anderswo, auch im Westen, gibt es überhaupt keine unangemeldeten - und nur sie machen Sinn."

(sid)
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