Diese Winterspiele machen Spaß Helden für eine Nacht

Düsseldorf (RPO). Claudia Nystad bevorzugt für gewöhnlich die leisen Töne. Über ihren Sport philosophierte sie mal mit lyrischer Ader, dass der Skilanglauf für sie sei, wie "das Blut schmecken, wenn Du keine Zeit mehr hast zu schlucken" und "dem Kribbeln nachfühlen, wenn es den Körper flutet."

Das ist Claudia Nystad
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Geschrieben hat Nystad diese schönen Sätze auf ihrer Homepage, die im Netz noch unter ihrem Mädchennamen Claudia Künzel zu finden ist. Offenbar hat es die Skilangläuferin, die bereits seit knapp fünf Jahren verheiratet ist und seitdem Nystad statt Künzel heißt, nicht für nötig befunden, ihre Domain zu aktualisieren.

Vermutlich hat sie nicht viele Zugriffe auf ihrer Internetseite, auch wenn sie jetzt in aller Munde ist. Zumindest für eine kleine Weile. Mit ihrer Partnerin Evi Sachenbacher-Stehle holte Nystad sensationell, weil völlig unerwartet, die Goldmedaille im Teamsprint der Skilangläuferinnen. Beide sind Heldinnen für eine Nacht.

Denn es wird nicht lange dauern, bis Nystad, Sachenbacher-Stehle, Tim Tscharnke und Co. wieder in Vergessenheit geraten. Ein Auftritt im Frühstücksfernsehn ist noch drin, die eine oder andere Titelstory (mit Siegerfoto) ebenfalls. Bis zur Wahl der Sportler des Jahres, die erst im Dezember durchgeführt wird, reicht der Ruhm nicht. Tatjana Hüfner, Kevin Kuske oder Felix Loch wird das nicht anders ergehen.

Oder Anja Huber. Die Dame hat erst vor drei Tagen Bronze im Skeleton gewonnen, ist aber heute nur noch eine Zahl im Medaillenspiegel.

"Einfach geil"

In Vancouver können sie ihren Emotionen aber zumindest für diese eine Nacht freien Lauf lassen. "Einfach geil", sei es, auf dem Medal Plaza zu stehen und sogar noch eine Medaille zu bekommen, meinte Skilangläufer Axel Teichmann.

Deshalb machen diese Winterspiele großen Spaß. Überraschende Triumphe, die es plötzlich am Fließband gibt, belohnen die Ausdauer, eine Nacht vor dem Fernseher oder Live-Ticker durchzuhalten. Dramatik auf den letzten Metern einer Loipe mit und ohne Gewehr wird geboten. Selbst eine Silbermedaille der deutschen Skispringer ist toll, weil diese Athleten ja schlechte Winter hinter sich haben.

Telegener als Curling

Und plötzlich fiebert man mit den Nystads, Beckerts und Angerers, die ansonsten nur Kurzmeldungen wert und fernab der öffentlichen Wahrnehmung sind. Alleine Magdalena Neuner und Maria Riesch dürften ihren Ruhm noch länger auskosten können. Ihre Sportarten sind prominenter und die Sportlerinnen telegener als etwa Curling. Die Chance, diesen durchaus hochwertigen Sport ausführlich zu verfolgen, gibt es nur bei Olympia. Ansonsten bekommen die Curler kaum Übertragungszeiten im Fernsehen.

Die Sportler haben sich daran gewöhnt. Sie freuen sich entweder über ihren Triumph oder darüber, einfach nur dabei gewesen zu sein. Die Eiskunstläufer Aljoma Savchenko und Robin Szolkowy, die nach Gold strebten und über Bronze weinten, bilden in dieser Hinsicht eine Ausnahme.

"Dem Atem lauschen, wenn es lauter wird"

Skilanglauf ist, "dem Atem lauschen, wenn es lauter wird", meint Claudia Nystad. Die Heldin für eine Nacht weiß und genießt es wohl, dass es schnell wieder um sei herum leiser wird. Dann wird sie einen Teil der Stille wieder zum Malen nutzen. Nystad hat mit ihren eigenen Bildern schon mehrere Ausstellungen gemacht. Zuletzt hingen ihre Werke in einer Augenklinik in Potsdam. Dort wird bisweilen auch der Blick fürs Wesentliche geschärft.

(rl)
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