Deutsche Biathletin positiv getestet Sachenbacher-Stehle: "Ich kann mir das nicht erklären"

Krasnaja Poljana · Bei der Biathletin wurde ein Aufputschmittel gefunden. Angeblich ist es durch ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel in den Körper gelangt.

 Evi Sachenbacher-Stehle ist bereits aus Sotschi abgereist.

Evi Sachenbacher-Stehle ist bereits aus Sotschi abgereist.

Foto: dpa, bt_hae jai

Zu später Stunde meldete sich Evi Sachenbacher-Stehle am Freitag zu Wort: "Ich erlebe gerade den schlimmsten Albtraum, den man sich vorstellen kann, denn ich kann mir überhaupt nicht erklären, wie es zu der positiven Probe gekommen ist", sagte die Biathletin. Seit dem Morgen war der Dopingverdacht gegen die 33-jährige Oberbayerin das große Thema bei den Olympischen Winterspielen. "Ich kann im Moment allen Beteiligten nur ausdrücklich versichern, dass ich zu keinem Zeitpunkt bewusst verbotene Substanzen zu mir genommen habe und alles daran setzen werde, diese Sache lückenlos aufzuklären."

Sachenbacher-Stehle war bei einer Dopingkontrolle am Montag nach dem Massenstart-Rennen sowohl in der A- als auch in der B-Probe positiv auf das Stimulans Methylhexanamin getestet worden. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat die frühere Langläuferin, die zum vierten Mal an den Spielen teilnahm, daraufhin aus der Olympiamannschaft ausgeschlossen und ihre sofortige Rückreise veranlasst. Chef de Mission Michael Vesper erklärte: "Der DOSB steht für dopingfreien Sport und eine Null-Toleranz-Politik."

Chinesischer Energieriegel schuld an positiver Probe?

Es hieß, der Stoff sei möglicherweise in Sachenbachers Körper gelangt, weil sie chinesische Energieriegel zu sich genommen habe. Ihr Mentaltrainer habe sie ihr verabreicht. DOSB-Präsident Alfons Hörmann sagte: "Man weiß nie, welche Berater und vermeintliche Experten und Medizinmänner da mit hinterstecken. Jeder hat das Recht auf freie Lebensgestaltung im weitesten Sinne. Und wenn da jemand sagt, ich umgebe mich mit bestimmten Personen und ich esse bestimmte Dinge oder nicht, da haben Sie keine Chance der Kontrolle."

Methylhexanamin gehört zur Gruppe der Stimulanzien und ist ausschließlich im Wettkampf verboten. Die Nationale Antidoping-Agentur teilte mit, dass sie seit langem generell vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln im Sport warne. "Wir erwarten von Spitzensportlern, dass sie diese Gefahr einschätzen können und die Warnungen ernst nehmen", sagte die Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann. Im Fall der Substanz Methylhexanamin seien ernstzunehmende Nebenwirkungen bekannt. Neben gesundheitsgefährdenden Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System seien in einem Fall eine akute Hepatitis sowie Leberschädigungen aufgetreten.

Neuner glaubt Sachenbacher-Stehle

Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner glaubt Sachenbacher-Stehle. "Ich persönlich glaube an Evis Unschuld", sagte die zweimalige Olympiasiegerin. "Was soll man dazu sagen? Wenn es tatsächlich so war, dass sie nicht wissentlich gedopt hat, dann ist das natürlich eine Riesentragödie für Evi." Die ganze Sache werfe "ein echt schlechtes Licht auf den deutschen Biathlonsport, was natürlich vor allem im Moment eine Riesenkatastrophe ist." Neuner übte allerdings auch Kritik. "Ich denke mir dabei nur, dass so eine erfahrene Sportlerin wie Evi eigentlich wissen müsste, was sie zu sich nehmen darf und was nicht."

"Schlimmer geht es nicht mehr. Wir hatten schon von der ersten Runde an keine Chance, die Spitze war gleich komplett außer Reichweite für uns", meinte Bundestrainer Uwe Müssiggang. Frauentrainer Gerald Hönig sagte vor dem Rennen: "Wir haben sehr geschockt reagiert. Wir sind zu einer Mannschaftsbesprechung zusammengerufen worden, da wurde uns das gesagt." Andrea Henkel, Franziska Hildebrand, Laura Dahlmeier und Franziska Preuß schlichen mit hängenden Köpfen und ohne Hoffnung zum Start. "Wir haben versucht, die Mädels auf das Sportliche einzuschwören", erklärte Hönig, "wir haben Tipps gegeben. Sie sollten ihren Computer nicht anschalten und das Handy weglegen".

Schwarzer Freitag für Startläuferin Preuß

Alles Zureden verpuffte — besonders bei Startläuferin Preuß. Die 19-Jährige stürzte nach wenigen Metern, ihr Stock brach. Endlich angekommen am Schießstand, versuchte sie verzweifelt, aber ein paar Mal vergeblich, den Schnee aus dem Schießtunnel zu pusten, verhinderte mit Mühe eine Strafrunde und übergab schließlich mit drei Minuten Rückstand an Henkel.

"Es gab skeptische Reaktionen der anderen Nationen, als wir ins Stadion gekommen sind, aber auch Zuspruch", sagte Bundestrainer Hönig: "Es werden jetzt natürlich die Ergebnisse der Mannschaft angezweifelt. Aber wir würden bei anderen Nationen in einem solchen Fall vielleicht auch so denken." Cheftrainer Müssiggang ergänzte: "Es wird heißen: die Deutschen! Das ist bei anderen Nationen auch so, da multipliziert man das meistens auf die ganze Mannschaft. Dieser Generalverdacht wird schnell ausgesprochen."

Die Staffel-Ergebnisse der Frauen waren in dieser Saison medaillenwürdig gewesen. Als Weltcup-Spitzenreiter trug das Quartett die Nummer eins. Seit der Premiere in Albertville 1992 hatten deutsche Frauenstaffeln bei den Spielen stets eine Medaille gewonnen. Gold gab es zuletzt 2002 und 1998, in Vancouver reichte es zu Silber.

Zum Abschluss der Wettbewerbe startet die Männerstaffel am Samstag (15.30 Uhr/Live-Ticker). Das Team um Silbermedaillen-Gewinner Erik Lesser gehört zu den Mitfavoriten. "Wir werden alles daran setzen, um noch eine Medaille zu gewinnen", sagte Bundestrainer Mark Kirchner. Sollte das gelingen, können die DSV-Skijäger die Bilanz immerhin auf zwei Medaillen verbessern. Fünfmal Edelmetall in Vancouver (2010) und in Nagano (1998) sind die bislang schwächsten Resultate, seit Männer und Frauen gemeinsam bei Olympia starten.

(RP)
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