Bilanz Kreml tobt nach Russlands Olympia-Pleite

Moskau (RP). Nach dem schlechten Abschneiden bei den Olympischen Winterspielen mit nur drei Goldmedaillen hat sich nun die Politik eingeschaltet. Regierungschef Putin und Präsident Medwedew fordern harte Konsequenzen.

Olympia 2010: Kanada führt Russland vor
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Es war kein glorreicher Empfang: Als das Flugzeug mit Sportminister Witali Mutko und der russischen Olympiamannschaft in der Nacht auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo landete, warteten außer den Verwandten nur ein paar Journalisten mit vielen Fragen. "Unser Ergebnis bei Olympia war kein Fiasko, es war objektive Realität", rechtfertigte sich Mutko. Seinen Posten ist er ohnehin so gut wie los. In einem Wutanfall hatte Kremlchef Dmitri Medwedew seinen Rücktritt gefordert.

Seit sowjetischen Zeiten sind die Russen an einen Medaillenregen gewöhnt. Nun steht die ganze Nation unter Schock: Mit dreimal Gold landete Russland in Vancouver nicht einmal unter den ersten Zehn in der Medaillenwertung. Insgesamt betrug die Ausbeute nur 15 Medaillen — ein historischer Tiefpunkt. "Wir müssen das Abschneiden schonungslos analysieren", gab Regierungschef Wladimir Putin zu Protokoll. Aus Verärgerung über das magere Ergebnis sagte Präsident Medwedew sogar seine Reise zu der Abschlussfeier in Vancouver ab. Er forderte die verantwortlichen Sportfunktionäre auf zurückzutreten. "Ganz oben muss der Sportler stehen und nicht die Funktionäre, diese vollgefressenen Kater."

Die Verstimmung an höchster Stelle hat ihren Grund: Russland wird 2014 im Schwarzmeer-Kurort Sotschi die nächsten Winterspiele ausrichten. Doch die schwache Leistung der Athleten hat deutlich gezeigt: Der russische Leistungssport steckt in einer schweren strukturellen Krise. Das alte sowjetische System der Sportförderung wurde zerstört, das Erbe ist nun, gut 20 Jahre später, aufgebraucht. "Wir müssen uns unsere Schlitten selbst bauen", klagt etwa Waleri Silakow, Chef des Rodler-Verbandes. Viele seiner Sportler zahlten die Reparatur ihrer Geräte aus eigener Tasche. Adäquate Trainingsmöglichkeiten gibt es sowieso kaum — die einzige Bahn in Paramonowo hat ständig Probleme mit dem Eisgenerator.

"Früher konnte ich talentierte Kinder in den Schulen auswählen. Ich hatte Ski für sie und die ganze Ausrüstung", erzählt der renommierte Ski-Trainer Boris Sidorenkow. "Heute kann ich nur mit denen trainieren, die sich die Ski selbst kaufen können." Im Eislaufen hingegen, so erzählten Eltern dem Magazin "Nowoje Wremja", wird für die Nachwuchsförderung mindestens tausend Euro im Monat verlangt — weit mehr als der russische Durchschnittslohn.

Währenddessen protzen die Funktionäre, wenn es um Repräsentatives geht. Um für Sotschi zu werben, ließ sich das russische Organisationskomitee Empfänge und Bankette im russischen Haus in Vancouver mehr als eine Million Euro kosten. Doch auch nach der Kritik von höchster Stelle zeigen sich die Spitzenfunktionäre nicht besonders einsichtig. Sportminister Mutko sagte zwar, er sei "bereit zu gehen". Trotzig fügte er aber hinzu, auch sein Rücktritt würde dem russischen Sport nicht viel helfen.

(RP)
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