Lüdenscheider Nattenberg Das ist die kleinste Schanze in NRW

Lüdenscheid · Der Schanzenrekord am Lüdenscheider Nattenberg steht bei 18,5 Metern. Zum Vergleich: Bei Olympia sind heute 140 Meter drin. Nach großen Tagen bis in die 2000er Jahre hinein springt am Nattenberg niemand mehr. Ein kleiner Skiklub will die Anlage neu beleben.

 Mitten im Grünen: Auf der kleinsten Skisprungschanze in NRW könnte auch im Sommer gesprungen werden. Die Springer landen auf grünen Kunststoffmatten.

Mitten im Grünen: Auf der kleinsten Skisprungschanze in NRW könnte auch im Sommer gesprungen werden. Die Springer landen auf grünen Kunststoffmatten.

Foto: Ralf Sommer

"Zieeeeeeeeeeeh" tönt es heute mittag von den Zuschauerrängen im Alpensia Ski Jumping Park in Pyeongchang. Und auch in den deutschen Wohnzimmern werden Fans die Skispringer beim Wettbewerb von der Großschanze auf diese Weise anfeuern. Wenn Andreas Wellinger oder Richard Freitag über den Schanzentisch hinausschießen und dem Boden entgegenfliegen, könnte es bei Weiten von bis zu 139,5 Metern (Schanzenrekord) allerdings knapp mit der Luft werden, wenn zum "Zieeeeeeeeeeeh" angesetzt wird. Ganz anders sieht das in Lüdenscheid, eine halbe Autostunde vom Bergischen Land entfernt, aus. An der Schanze am Nattenberg reicht den Zuschauern ein "Zieh" mit einfachem "e", bis der Springer auf dem Boden landet.

Der wartet oben am Anlauf. Lässt den Blick schweifen. In der Ferne Lüdenscheids Stadtbild. Davor ein Freibad. Links zwei Tennisplätze. Um ihn herum ist es Grün. Denn dank der aus Finnland eingeflogenen Matten, ist die Schanze ganzjährig geöffnet - beziehungsweise war es. "2013 ist hier leider der bislang letzte Springer gelandet", sagt Theo Koslar, Sportwart des Skiklubs Lüdenscheid. Er und die anderen Mitglieder des Vereins wollen die kleine Schanze gerne wieder groß machen. "Es ist eine schöne Anlage, die es verdient hätte, dass wieder auf ihr gesprungen wird", findet Koslar.

5000 Menschen bei der Eröffnung

In früheren Tagen war das in Lüdenscheid an der Tagesordnung. Zur Eröffnung der Schanze im Jahr 1932 kamen rund 5000 Menschen an den Nattenberg. Zu der Zeit hatte Lüdenscheid nur 35.000 Einwohner. "Was für eine Quote", sagt Koslar. Im ersten Weltkrieg verfiel die Anlage, wurde in den 1950ern aber wieder aufgebaut. Aus den Erzählungen älterer Skiklub-Mitglieder weiß der 66-jährige Sportwart: "Damals gab es noch keinen Auslaufhang. Nach der Landung sind die Springer einfach weiter den Berg runter Richtung Schwimmbad gefahren. Das muss ein Spektakel gewesen sein."

Die Region war zu der Zeit so etwas wie ein kleines "Skisprung-Mekka". Rundherum gab es Schanzen. In Iserlohn, Breckerfeld und Herscheid. Die wurden allerdings nach und nach abgerissen. Die Nattenbergschanze verfiel derweil ein zweites Mal, ehe Koslar und seine Vereinskameraden sich 1997 an den Wiederaufbau machten. Sie schütteten den Auslaufhang auf und befestigten die Matten, die für Sommer-Sprünge bewässert werden müssen. "Es kamen Springer aus dem Hochsauerland und sogar Vereine aus dem Harz", erinnert sich der 66-Jährige. "Es war ein schönes Gefühl zu sehen, wie gerne vor allem die Kinder und Jugendlichen die Schanze benutzt haben."

In den späten 2000ern neigte sich die dritte Glanzzeit der Nattenbergschanze dem Ende entgegen. Dem Skiklub fehlte ein Trainer, der Nachwuchs wanderte ab. "Alle wollen auf die großen Schanzen in Meinerzhagen und Winterberg", sagt Koslar etwas traurig. Mit dortigen Sprungweiten von 60 bis 90 Metern kann der Nattenberg nicht konkurrieren. Der Schanzenrekord steht hier bei 18,5 Metern. 15 Meter hinter dem Schanzentisch ist der K-Punkt, auch "kritischer Punkt", zu finden, an dem der Aufsprunghang wieder flacher wird. Damit ist die Anlage die kleinste alleinstehende Schanze in NRW. Zum Vergleich: Der K-Punkt der Großschanze in Pyeongchang liegt bei 125 Metern, jener der größten deutschen Schanze in Oberstdorf sogar bei 200 Metern.

Während dort die Profis springen, ist der Nattenberg perfekt für Anfänger. "In Norwegen findet man solche Schanzen in fast jedem Dorf", sagt Koslar. Er findet es schade, dass der Skisprungnachwuchs in NRW ausbleibt und würde gerne dazu beitragen, Kinder wieder für die Sportart zu begeistern. Dafür muss allerdings der morsche Holz-Anlauf erneuert werden. Außerdem braucht es einen Trainer. "Wenn uns der Westdeutsche Skiverband unterstützt, machen wir die Schanze wieder sprungklar", verspricht Koslar. Denn es gibt eines, das er an der Nattenbergschanze zu gerne noch einmal rufen würde: "Zieh!"

(kron)
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