Viktoria Rebensburg im Interview "Gold ist die größte Herausforderung"

Pyeongchang · Viktoria Rebensburg ist die größte Medaillenhoffnung der deutschen Ski-Rennläufer für Pyeongchang. Nach Gold 2010 und Bronze 2014 spricht die 28-Jährige aus Kreuth am Tegernsee im Interview über ihre Favoritenrolle und Rückschläge und verrät, wo sie eine weitere Medaille aufbewahren würde.

Alberto Tomba setzt Viktoria Rebensburg die Krone auf
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Tomba setzt Rebensburg die Krone auf

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Foto: ap, SO

"Viktoria Rebensburg, Sie bewahren Ihre Medaillen und Kristallkugeln zu Hause in Ihrem Wohnzimmer auf der Fensterbank auf - ist da noch Platz?"

Viktoria Rebensburg (Ski-Olympiasiegerin): "Ja, definitiv."

"Auch noch für eine weitere Goldmedaille?"

Rebensburg: "Es lässt sich schon noch Platz machen, das ist das geringste Problem an der ganzen Sache."

"Was ist denn das größere?"

Rebensburg: "Dazu, dass man die Fensterbank befüllt, gehören einige gute Schwünge, das ist die größere Herausforderung."

"Gute Schwünge hatten Sie in diesem Winter zuhauf. Können Sie die nach Südkorea rüberretten?"

Rebensburg: "Ich hoffe nicht, dass ich sie rüberretten muss. Ich hoffe, dass ich da so weitermache, wie ich es bisher gemacht habe, einfach gut Ski fahre. In der Tat waren viele gute Rennen dabei, damit bin ich sehr zufrieden. Jetzt gilt es, das mitzunehmen und in Südkorea die gleiche Leistung abrufen zu können."

"Ihre frühere Mitstreiterin Maria Höfl-Riesch nennt sie Topfavoritin im Riesenslalom."

Rebensburg: "Ich habe schon ein paar Mal gesagt, auch nach den letzten, sehr engen Rennen am Kronplatz und in der Lenzerheide, dass die Dichte im Riesenslalom extrem hoch ist. Ich glaube sogar am höchsten, da gibt es viele Podiumskandidatinnen. Es ist die größte Herausforderung, da vorne mitzufahren, es muss alles passen."

"Das Rennen in Ihrer Paradedisziplin findet gleich zum Auftakt statt - gut oder schlecht?"

Rebensburg: "Ich finde es super. Es ist das erste Mal, dass ich ein Großereignis in der Reihenfolge erlebe. Bei mir liegt der Fokus klar auf dem Riesenslalom, und wenn man die letzten Großereignisse hernimmt, war es schon so, dass ich in der ersten Woche immer den Spagat zwischen Speed und Riesenslalom schaffen musste, also zwischen Abfahrts- und Riesenslalomtraining. Das ist jetzt nicht mehr der Fall und begünstigt auch die Speed-Wettbewerbe, weil der Fokus dann zu 100 Prozent auf diesen Rennen liegt. Auf der anderen Seite kann ich mich davor zu 100 Prozent auf den Riesenslalom vorbereiten. Ich denke, dass das eine super Ausgangssituation ist."

"Zwei olympische Goldmedaillen im Riesenslalom hat nur Deborah Compagnoni gewonnen, ein Vorbild?"

Rebensburg: "Jein. Als sie aufgehört hat, habe ich gerade angefangen, bewusst Skirennen zu schauen. Aber natürlich ist mir der Name definitiv ein Begriff, cool, das zu hören, das wusste ich noch nicht."

"Bei den Männern hat das nur Alberto Tomba geschafft, bald könnten Sie in dieser Reihe stehen."

Rebensburg: "Das ist definitiv nicht in meinem Kopf. Ich fokussiere mich auf meine Leistung, auf das, was ich umsetzen möchte. Für mich steht immer der Prozess im Vordergrund, wie ich Ski fahren möchte vom Start bis ins Ziel - ob das ein Weltcuprennen ist oder Olympia. Für mich ist das ein Rennen wie jedes andere. Es gibt einen Start, es gibt blaue und rote Tore, und da versuche ich so schnell wie's geht durchzufahren."

"Können Sie diesen Prozess inzwischen mehr beeinflussen als früher?"

Rebensburg: "Vielleicht gar nicht so sehr. Wichtig ist, dass ich fit bin, gut vorbereitet - und dann schnell Ski fahre und die Schwünge so treffe, wie ich es mir vornehme. Auch in jungen Jahren habe ich es schon geschafft, die Schwünge zu treffen, um maximalen Speed rauszubringen. Das ist jetzt das Gleiche, man versucht, den schnellsten Schwung rauszubringen und ihn immer wieder zu reproduzieren."

"Es sind Ihre dritten Spiele nach Gold 2010 und Bronze 2014. Was unterscheidet die junge Viktoria Rebensburg von Vancouver von der heutigen?"

Rebensburg: "Dass sie jetzt nicht mehr jung ist, sondern alt (lacht). Durch das Alter kommt auch die Erfahrung, ich habe viel erlebt die letzten acht Jahre, viele Höhen, aber auch Tiefen durchgemacht. Das ist sicherlich mit der größte Unterschied."

"Ihr Cheftrainer Jürgen Graller sagt, er habe mit Ihnen daran gearbeitet, Rennen nach Fehlern wieder durchzuziehen, zu kämpfen."

Rebensburg: "Ich glaube, dass das früher immer eine Stärke von mir war. Schon bei meiner ersten WM in Are (2007) habe ich mich immer wieder in den Lauf zurückgekämpft. Es war definitiv ein Ziel im Sommer, auf etwaige Situationen gleich schnell zu reagieren. Wenn man einen Fehler macht, muss der Körper im Bruchteil einer Sekunde intuitiv eine Lösung finden. Das hatte ich zum Glück immer schon in mir, aber das muss man auch trainieren. Jetzt sieht man, dass da was weitergegangen und die alte Stärke wieder zum Vorschein gekommen ist."

"Dabei gab es erneut Rückschläge wie Ihren Sturz im Dezember in Val d'Isere, der nachzuwirken schien."

Rebensburg: "Speziell das Rennen in Courchevel schon zwei Tage nach dem Sturz war schwierig. Körperlich war alles kreuz und quer verschoben, nicht da, wo es sein soll. Ich bin froh, heil im Ziel gewesen zu sein und über Weihnachten die Zeit gehabt zu haben, das ausheilen zu lassen, damit der Körper wieder so zurechtgerückt war, um wieder Topleistungen abrufen zu können."

"Ihre Teamkollegen Felix Neureuther und Stefan Luitz erlitten in dieser Phase Kreuzbandrisse."

Rebensburg: "Es war sogar der Tag, an dem Stefan sich verletzt hat. Es wäre extrem gewesen, aber es ist zum Glück nicht so weit gekommen, meine Bänder haben einen super Job gemacht, auch mein Schutzengel."

"Begleitet Sie dieser nach Südkorea?"

Rebensburg: "Ich habe da schon einen Platz in der Tasche..."

"Ihre Eltern erlebten Ihren Goldlauf 2010 nicht mehr vor Ort, weil sie nach einer Verschiebung abreisen mussten. Wären Sie dieses Mal dabei?"

Rebensburg: "Ja. Aufgrund der Tatsache, dass der Riesenslalom am Anfang ist und die Speed-Rennen danach, besteht da keine Gefahr, vielleicht für die Abfahrt am Schluss. Aber die haben da schon ein bisschen Puffer eingeplant und Sightseeing in Seoul, wenn keine Rennen mehr sind, da ist alles gut."

"Wie wichtig ist Ihnen diese familiäre Unterstützung?"

Rebensburg: "Ich finde es total schön. Meine Eltern sagen auch, sie seien stolz auf ihre Tochter, dass sie bei Olympia teilnehmen kann, Olympionikin ist, deswegen nehmen sie auch die weite Reise nach Südkorea auf sich, um das nochmal erleben zu dürfen. In Sotschi waren sie nicht dabei, jetzt freuen sie sich darauf, auch mal einen anderen Kontinent kennenzulernen."

"Lässt sich 2010 oder 2014 in Pyeongchang wiederholen?"

Rebensburg: "Die Umgebung verändert sich, auch die Geschichte. Vor Sotschi war ich den ganzen Winter krank, bin lange ausgefallen, ganz wenige Rennen gefahren, deshalb war die Medaille damals sehr bedeutend für mich. Vor Vancouver hatte ich nie ein Rennen gewonnen, wusste aber, ich bin schnell."

"Wie vor Vancouver waren Sie auch dieses Mal im letzten Riesenslalom vor den Spielen Zweite..."

Rebensburg: "Mir ist das spontan in den Kopf geschossen. Aber ich weiß nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist. Was ich weiß, ist, dass ich gut dabei bin, auch wenn die Läufe wie in Lenzerheide nicht hundertprozentig fehlerfrei waren."

"Damals waren Sie ein Frischling, jetzt dürfen Sie vielleicht die deutsche Fahne tragen."

Rebensburg: "Für mich ist allein die Tatsache, dass ich zur Wahl stehe, eine sehr große Ehre und ein bisschen überraschend gekommen. Das wäre eine extrem große Ehre, definitiv. Die restlichen Kandidaten sind alle extrem tolle Sportler, haben sehr, sehr viel erreicht."

"Nicht neu wird für Sie die Speedstrecke sein, die Sie aus dem Weltcup kennen. Gefällt Sie Ihnen?"

Rebensburg: "Ich finde, es ist eine wirklich sehr schöne Strecke, relativ breit und offen mit sehr vielen weit gezogenen Kurven. Ich denke, dass es eher den Speedfahrern entgegenkommen kann, weil die Kurven nicht so extrem zumachen, das Gelände gibt es nicht her, da anders zu setzen. Es sind einige Wellen drin und ein paar Sprünge, ein sehr schönes Gelände."

"Für die Piste mussten Zehntausende Bäume weichen."

Rebensburg: "Sicherlich muss man sich über gewisse Punkte mal Gedanken machen. Für mich steht aber absolut der Sport im Vordergrund, das, was ich mir vornehme und leisten möchte. Alles andere muss man sicherlich diskutieren. Aber für mich persönlich, wenn die Spiele vorbei sind."

"Wenn die Spiele für Sie mit der erhofften Goldmedaille enden - ist dann Schluss mit der Karriere?"

Rebensburg: "Ich habe mir die Sache in der Tat die letzten Monate durch den Kopf gehen lassen, aber definitiv: nein! Das wird nicht passieren. Ich habe noch so viel Spaß, liebe meinen Sport und genieße ihn, das hängt für mich nicht von Olympia ab."

(sid)
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